Die AfD – eine „bürgerlich-konservative Partei“? Ein Kommentar zur Ministerpräsidentenwahl in Thüringen

Armin Schäfer

26. Februar 2020

Standpunkt

In Thüringen wurde ein FDP-Kandidat mithilfe der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt. Das löste ein politisches Erdbeben aus, das die CDU schwer erschüttert hat. Erleben wir das Ende der Volksparteien?

Die Zeit, in der eine der großen Parteien mehr als 40 Prozent der Stimmen holen und anschließend in einer Zweierkoalition regieren kann, scheint endgültig vorbei zu sein. Die Lage von CDU/CSU und SPD ist noch nicht so dramatisch wie in anderen europäischen Ländern. Aber durch die Etablierung von Grünen, Linkspartei und, zuletzt, der Alternative für Deutschland haben wir ein sehr viel stärker fragmentiertes und polarisiertes Parteiensystem, in dem die Regierungsbildung erschwert wird. Die Gelegenheit, Thomas Kemmerich zu wählen, entstand ja deshalb, weil keine der politisch tragfähigen Koalitionsvarianten eine Mehrheit der Abgeordneten stellen konnte. Diese Situation wurde von der AfD genutzt, um die anderen Parteien der Lächerlichkeit preiszugeben und sich als Teil einer „bürgerlichen Mehrheit“ zu inszenieren. Zumindest in Teilen von CDU und FDP wurde dies billigend in Kauf genommen, um Bodo Ramelows Wiederwahl zu verhindern.

»Die AfD – eine ›bürgerlich-konservative Partei‹?«

In ihrer Entstehungsphase war die AfD ganz anders politisch ausgerichtet. Das zentrale Thema der AfD – anfangs als „Professorenpartei“ verspottet – war 2013 die Ablehnung des Euro. Migrationspolitik oder der Klimawandel spielten keine Rolle. Mehrere Studien zeigen, dass die AfD damals noch nicht als rechtspopulistische Partei einzuordnen war.

Das hat sich seitdem jedoch grundlegend geändert. Es besteht in der Forschung kein Zweifel darüber, dass die AfD alle Merkmale des Rechtspopulismus erfüllt: Sie stellt einem vermeintlich homogenen Volk die korrupte Elite gegenüber, bestreitet, dass in einer pluralistischen Demokratie legitimerweise unterschiedliche Interessen bestehen und mobilisiert vor allem mit dem Thema Migration.

Mit jedem Führungswechsel hat sich die Partei zudem weiter radikalisiert. Der sogenannte Flügel um Björn Höcke, der durch Thüringer PR-Erfolg gestärkt wurde, vertritt in Teilen offen rechtsextreme Einstellungen, die sicher nicht mehr als bürgerlich- konservativ gelten können. 

»Der Blick auf andere Länder zeigt, dass rechtspopulistische Parteien nicht einfach wieder verschwinden.«

Erfolg haben rechtspopulistische Parteien wie die AfD einerseits, weil Teile der Bevölkerung migrationsskeptische bis -feindliche Einstellungen haben, die durch diese Parteien bedient werden. Andererseits gibt es tatsächlich eine Kluft zwischen politischer Elite und Bevölkerung. Gelänge politische Repräsentation besser, wäre auch die AfD weniger erfolgreich.

Beide Erfolgsbedingungen des Rechtspopulismus werden nicht kurzfristig verschwinden und insofern spricht wenig dafür, dass die AfD rasch an Bedeutung verlieren wird. Allerdings ist es schwieriger für rechtspopulistische Parteien, erfolgreich zu sein, wenn die öffentliche Debatte nicht von gesellschaftspolitischen Fragen dominiert wird, sondern beispielsweise Themen wie Steuer- oder Sozialpolitik im Zentrum stehen – hier hat die AfD nicht nur wenig zu sagen, sondern zeigt zudem eine relativ große Diskrepanz zu den Einstellungen der eigenen Wählerinnen und Wähler.

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