Ewige Reformbaustelle: Ungleichheiten bei Immobiliendeals

Hanna Doose

11. Dezember 2025

Im Jahr 2021 übernahm Deutschlands größtes Immobilienunternehmen Vonovia den zweitgrößten Konkurrenten Deutsche Wohnen – ohne einen Cent Grunderwerbsteuer zu zahlen. Die dahinterstehende Kaufkonstruktion, die vor allem Großunternehmen nutzen können, sorgt immer wieder für Schlagzeilen: So beim schleppenden Wohnungsbauprojekt im Düsseldorfer Glasmacherviertel, das die LEG von der Adler Group unter Umgehung des kommunalen Vorkaufsrechts erwarb. Beide Beispiele funktionieren über Anteilskäufe, sogenannte Share Deals. Bereits zum dritten Mal in Folge versprechen Bundesregierungen in ihren Koalitionsverträgen, diese Schlupflöcher zu schließen. Seit 2015 hat es immer wieder Initiativen gegeben, auch auf Länderebene, um Share Deals bei Immobilien, inklusive landwirtschaftlicher Flächen, einzuschränken. Die aktuelle Koalition will das kommunale Vorkaufsrecht, das Recht von Städten und Gemeinden, beim Verkauf bestimmter Grundstücke als Käufer einzuspringen, dadurch stärken, dass sie die Umgehung durch Share Deals unterbindet. Doch was sind Share Deals und warum fällt es der Politik so schwer, sie zu begrenzen?

Bei Immobilientransaktionen gibt es zwei gängige Varianten: Asset Deals und Share Deals. Beim Asset Deal geht das Eigentum an einer Immobilie, sei es ein Grundstück oder ein Gebäude, auf eine andere Partei über, was eine Änderung im Grundbuch erfordert. Anders der Share Deal: Hier kauft ein Investor nicht die Immobilie selbst, sondern Anteile an der Gesellschaft, die die Immobilie besitzt. Diese Konstruktion umgeht eine Änderung im Grundbuch – die Gesellschaft bleibt rechtliche Eigentümerin, selbst wenn 99 Prozent ihrer Anteile an neue Investoren gehen. Faktisch können die neuen Anteilshalter aber trotzdem das Sagen haben.

Asset Deals lösen die Grunderwerbsteuer aus (3,5 bis 6,5 Prozent des Kaufpreises, je nach Bundesland), die in die Haushaltskassen der Länder fließt. Share Deals, die ohne Änderung im Grundbuch ablaufen, können die Steuer und das kommunale Vorkaufsrecht umgehen sowie Eigentumsverhältnisse verschleiern. Nicht alle Share Deals verfolgen diese Absichten. Allerdings schaffen diese Vorteile erhebliche Anreize für größere Unternehmen, die sich die auf­wendige Abwicklung leisten können. Privatpersonen sind beim Kauf von Immobilien meist auf Asset Deals angewiesen, die deutlich weniger Expertise erfordern und kostengünstiger sind. So entsteht ein Zwei-Klassen-System: Große Konzerne haben Möglichkeiten, die Steuer zu umgehen, normale Käufer zahlen.

 »Share Deals bieten großen Unternehmen Vorteile, zu denen einzelne Käufer keinen Zugang haben.«

Nach der Reform aus dem Jahr 2021, die eigentlich fast niemanden zufriedenstellte, stehen Share Deals nun also erneut als reformbedürftig im Koalitionsvertrag. Die vorherige Bundesregierung hatte zwar einen Gesetzentwurf zur Stärkung des kommunalen Vorkaufsrechts vorgelegt, aber nicht mehr verabschiedet. Einige Länder, wie Hamburg, legten eigene Gesetzentwürfe vor. Eine umfassende Lösung blieb dennoch aus.

Aber warum beißen sich die Parteien seit Jahren die Zähne an dem Thema aus? Die Gründe dafür sind vielschichtig – und nicht nur, weil die deutsche Gesetzgebung zu Share Deals ein Paragrafendschungel ist. Immobilientransaktionen wie auch Anteilskäufe sind für das Funktionieren unseres Wirtschaftssystems so grundlegend, dass eine passgenauere Regulierung mit dem bisherigen Ansatz unzählige Spezifizierungen benötigt. Nur so lässt sich verhindern, dass Unternehmen ohne Steuervermeidungsabsicht unter verschärften Regeln leiden. Zudem scheut die Politik – mit einigen Ausnahmen links der SPD – die wirklich grundlegenden Fragen: Ab wann gilt jemand als Eigentümer eines Grundstücks, mit allen Rechten, aber auch Pflichten wie Steuern? Entscheidet der Grundbucheintrag oder genügt ein Prozentsatz an Anteilen?

Dieses politische Zögern hat längst reale Konsequenzen: für das Kräfteverhältnis zwischen Mietern, privaten Eigentümern und großen Immobilienunternehmen, für landwirtschaftliche Besitzstrukturen, für die Haushaltskassen der Länder und für die Stadtentwicklung. Die Bedeutung großer Finanzakteure am städtischen Wohnungsmarkt wächst, und mit jeder Verzögerung wechseln weitere Grundstücke den Besitzer, ohne dass Kommunen dabei ihre Pläne zum Erhalt bezahlbaren Wohnraums und zum Wohnungsbau umsetzen können. In Zeiten einer Wohnungskrise in deutschen Großstädten sind jetzt sowohl mutige Reformen als auch offene Debatten über Eigentum und Steuergerechtigkeit nötig – und zwar schnell.

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