Zwischen Offenheit und Festlegung: Ein Dilemma in der Förderung von Innovationen
Timur Ergen
Die Förderung neuer Technologien durch Unternehmen oder Staaten hängt wesentlich davon ab, welche Erwartungen mit ihnen verbunden sind. Nur wenn sich Technologien wie erhofft entwickeln, Abnehmer und Unterstützer finden und sich so gegen Alternativen durchsetzen können, ergibt ihre Förderung Sinn.
Vor diesem Hintergrund wird in Politik, Medien und Wissenschaft regelmäßig gefordert, dass sich Firmen und Staaten nicht zu früh auf bestimmte Technologien festlegen sollten, um nicht zu viele Ressourcen für Fehlschläge zu verschwenden und flexibel auf zukünftige Entwicklungen reagieren zu können. Statt fokussierte Förderung zu betreiben, sollen sich Akteure offen auf eine Vielzahl möglicher technologischer Zukunftsszenarien einstellen.
Gewissheit über die Potenziale komplexer Technologien kann es jedoch nur dann geben, wenn die Möglichkeit existiert, diese auch gezielt zu entwickeln. Ein Innovationsprozess erstreckt sich nicht selten über Jahre oder Jahrzehnte, basiert auf der Zusammenarbeit Hunderter Akteure und Organisationen und ist in der Regel mit dem Einsatz erheblicher Ressourcen verbunden – Aufwendungen, die wiederum die Arbeit an Alternativen untergraben.
Ein gutes Beispiel für diese Problematik ist die Entwicklung elektrisch betriebener PKWs: Sicherheit darüber, ob batteriebetriebene Fahrzeuge wirklich die beste Technologie sind, um den Individualverkehr vom Verbrennungsmotor zu lösen, wird es nie geben, wenn sich nicht eine kritische Masse an Akteuren so verhalten würde, als ob es schon so wäre – und damit durchaus gewaltige Fehlschläge riskiert.
Offenheit und Festlegung in der Förderung von Innovation haben also jeweils Vorteile und Nachteile. Wenn diese aber in einem Konflikt stehen, dann gibt es für Akteure in der Entwicklung komplexer Technologien ein veritables Dilemma. Dieses Dilemma lässt sich anhand von zwei Beispielen von jeweils gescheiterten Entwicklungsprozessen in der Energietechnologie verdeutlichen.
Das Beispiel der Photovoltaikförderung in den USA in den 1970er-Jahren illustriert die Gefahr, sich angesichts einer unsicheren Zukunft nicht auf eine Technologie festlegen zu wollen. Aus Sorge, zu früh auf das falsche Pferd zu setzen, zerfielen Förderinitiativen für die Photovoltaik in vereinzelte Suchbewegungen. Dies wiederum stiftete nur neue Unsicherheit über die mittelfristigen Potenziale der Technologie.
Das zweite Beispiel der Förderung synthetischer Kraftstoffe in den USA verdeutlicht die spiegelbildliche Gefahr, sich zu bestimmt auf eine Technologie festzulegen. In äußerst kostenträchtigen Programmen versuchten US-Regierung und Ölindustrie nach der zweiten Ölkrise, die Kommerzialisierung synthetischer Kraftstoffe zu erzwingen. Als die weltweiten Ölpreise Mitte der 1980er-Jahre wieder einbrachen, wurden die Programme größtenteils erfolglos eingestellt und zu einem viel zitierten Beispiel für Ressourcenverschwendung in der Innovationspolitik.
Über Erfolg oder Misserfolg innovativer Technologien wird stets in einer unsicheren Zukunft entschieden. Da diese Zukunft aber maßgeblich davon geprägt wird, dass Akteure sich ab und an auf einen leap of faith einlassen, ist es müßig, nach optimalen Strategien der Innovationsförderung zu fragen. Vielmehr changieren Akteure zwischen Offenheit und Festlegung gegenüber der Zukunft – mitsamt den Vor- und Nachteilen, die die beiden Strategie mit sich bringen.