Gruppenbild der rund 35 Teilnehmerinnen und Vortragenden

Ein Ort der Selbstermächtigung und der Zugehörigkeit

Leonie Fernholz

11. Dezember 2025

Vom 22. bis zum 25. September 2025 fand am MPIfG die zweite „Max Planck Summer School for Women in Political Economy“ statt. Die Konferenzreihe verfolgt zwei Ziele: Sie will ein Netzwerk von Forscherinnen in der Politischen Ökonomie aufbauen und geschlechtsspezifische Ungleichheiten verringern. Leonie Fernholz, Doktorandin am MPIfG, teilt hier ihre Eindrücke aus einer Woche voller Workshops, Kompetenztrainings und Diskussionsrunden.

Nach vier Tagen voller Sessions, Vorträge und Paneldiskussionen stand für mich fest: Die zweite Max Planck Summer School for Women in Political Economy war nicht nur ein Ort der Selbstermächtigung, sondern vermittelte auch ein Gefühl der Zugehörigkeit und der Verbundenheit für die rund 35 Teilnehmerinnen und Vortragenden. Wir erkannten: Als Frauen sind wir Teil der Politischen Ökonomie und können die Disziplin aktiv mitgestalten – sowohl in der Wahl unserer Forschungsthemen als auch in der Art und Weise, wie wir kommunizieren. So vermittelte die Veranstaltung eine ermutigende Sicht auf akademische Karrieren und zeigte, dass Frauen in diesem Feld erfolgreich sind und Professuren erreichen können, ohne sich verstellen oder auf Familie verzichten zu müssen. Gleichzeitig wurden Herausforderungen offen angesprochen und eine Atmosphäre des Vertrauens und der Unterstützung geschaffen.

»Als Frauen sind wir Teil der Politischen Ökonomie und können die Disziplin mitgestalten.«

Schon bei der Einführung setzte Organisatorin Pálma Polyák (MPIfG) den Ton. Sie sprach offen über ihre positiven Erfahrungen bei der ersten Summer School – ein starker Kontrast zu der Diskriminierung, die sie, wie viele andere Frauen, auf männlich dominierten Konferenzen erlebt hat. Außerdem hob Polyák ihr zivilgesellschaftliches und politisches Engagement hervor und ermutigte damit viele Teilnehmerinnen, von ähnlichen Initiativen zu berichten. So sahen wir deutlich, wie sehr Frauen in der Politischen Ökonomie daran mitarbeiten, gesellschaftliche Veränderungen zu bewirken und unsere Welt zum Besseren zu gestalten. Dies war bemerkenswert, da wir als Gruppe ausgesprochen vielfältig waren: Die Teilnehmerinnen kamen von verschiedenen Kontinenten, befanden sich in unterschiedlichen Phasen ihrer akademischen Laufbahn – vom ersten Promotionsjahr bis zur frühen Postdoc-Phase – und arbeiteten zu vielfältigen Forschungsthemen, mit Methoden von Ethnografie bis hin zu Umfrageexperimenten. Alle lachten, als Pálma Polyáks Mitorganisator Dustin Voss (MPIfG) meinte, er wisse nun, wie es sich anfühle, der einzige Mann im Raum zu sein, nämlich „seltsam“. Es war ein erheiternder und offenbarender Moment zugleich und ein treffender Hinweis darauf, wie sich viele Frauen in der Politischen Ökonomie oft fühlen. In dieser Summer School war das anders: Ich fühlte mich nicht seltsam oder deplatziert, sondern genau am richtigen Ort.

In den Kaffeepausen wurden wir ermutigt, gezielt das Gespräch miteinander und mit erfahrenen Wissenschaftlerinnen zu suchen. Ein speziell vorbereitetes Poster lud dazu ein, uns spontan mit anderen gemeinsam zu überlegen, wie die Politische Ökonomie frauenfreundlicher werden kann. Als Frau, die beim Networking öfter zögert, war das für mich ein sehr positives Erlebnis und trug als Ice-Breaker erheblich dazu bei, dass ich mich die ganze Woche über wohlfühlte.

Das viertägige Programm bot eine ausgewogene Mischung aus praxisorientierten und akademischen Sessions. So diskutierten wir Fragen der Karriereplanung, der Vereinbarkeit von Familie und Forschung sowie Strategien für Publikationen und Drittmittelanträge. In thematischen Sessions zu Finanzialisierung und Klimapolitik gaben Natascha van der Zwan (Universität Leiden) und Diane Bolet (Universität Essex) Einblicke in ihre Forschungsansätze und deren Entwicklung. Der Austausch von Erfahrungen zog sich wie ein roter Faden durch die gesamte Woche.

»Der Austausch von Erfahrungen zog sich wie ein roter Faden durch die gesamte Woche.«

In der Session zu Geoökonomie erläuterte Carola Westermeier (MPIfG), wie sie theoretische Konzepte definiert und welchen Nutzen diese über ihr eigenes Forschungsthema hinaus haben. Sie erklärte, dass ihr präzise Konzepte geholfen haben, ihre interdisziplinäre Forschung besser zu verorten. Ähnlich schilderte Sonja Avlijaš (Universität Belgrad) in ihrer Session zur Politischen Ökonomie der Entwicklung, dass sie erst während ihrer Postdoc-Zeit erkannte, wie relevant ihre Forschung auch für andere Themengebiete ist. Ihr Schwerpunkt auf Genderfragen war für sie über viele Jahre nur schwer einzuordnen, da die Politische Ökonomie als Disziplin noch nicht bereit war, diese Perspektive aufzunehmen. Zugleich zeigten unsere Diskussionen, wie herausfordernd es für Forscherinnen anderer Weltregionen sein kann, ihre Fragestellungen und Betrachtungsweisen in akademischen Strukturen in Kernländern des Globalen Nordens wie Deutschland, Frankreich oder Großbritannien anschlussfähig zu machen. Entscheidend ist, Forschende zu finden, die die eigene Arbeit verstehen und unterstützen. Ich fand es ermutigend zu hören, dass es oftmals Zeit braucht, solche Verbindungen zu knüpfen, und dass dies völlig normal ist.

Im Zoom-Roundtable „Women in Political Economy“ mit Dorothee Bohle (Universität Wien), Elsa Massoc (Universität St. Gallen), Manuela Moschella (Universität Bologna) und Kathleen Thelen (MIT) stand ein zentrales Thema im Mittelpunkt: wie stark akademische Karrieren von gutem Timing und unterstützenden Netzwerken abhängen. Wir sprachen auch darüber, ob in der Politischen Ökonomie Genderfragen systematischer berücksichtigt werden sollten. Wie unsere Diskussionen verdeutlichten, hat die Forschung zu Wachstumsmodellen mit der Berücksichtigung von Geschlechterfragen und der Care-Ökonomie bereits erste wichtige Weichenstellungen vorgenommen. Die Podiumsteilnehmerinnen sprachen offen über strukturelle Probleme: Frauen werden seltener zitiert, publizieren weniger in Kooperation und erhalten kritischere Bewertungen von Studierenden. Dennoch berichteten sie auch von positiven Entwicklungen in den letzten Jahren, vor allem, weil sich Frauen zunehmend gegenseitig fördern und auch Männer beginnen, Frauen aktiv in ihre professionellen Netzwerke einzubinden.

Die vier Wissenschaftlerinnen gaben uns zudem praktische Tipps, wie wir erfahrene Forscher und Forscherinnen um Feedback bitten können, sei es auf Konferenzen oder per E-Mail. Aus der Runde nahmen wir aber auch mit, dass der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen auf ähnlichem Karrierelevel sogar wichtiger sein kann als der mit etablierten Forschenden. Besonders beeindruckend fand ich, wie unterschiedlich die Karrierewege der vier Frauen verlaufen sind und welche persönlichen Entscheidungen sie hierbei jeweils treffen mussten. Es wurde deutlich: Unsicherheiten gehören zur frühen Phase einer akademischen Laufbahn dazu. Entscheidend ist, bei Rückschlägen den Austausch zu suchen. Zwar erleben alle Forschenden irgendwann Misserfolge, doch für Frauen kann es schwerer sein, sich davon zu erholen, nicht zuletzt wegen familiärer Verpflichtungen. Umso wertvoller war es, dass Manuela Moschella und Elsa Massoc offen über ihre Erfahrungen mit der Vereinbarkeit von Familie und Karriere sprachen.

»Was wirklich hilft, sind unterstützende Kolleginnen und Kollegen und flexible Strukturen.«

Arianna Tassinari (Universität Bologna) vertiefte dieses Thema in einer Session mit dem passenden Titel „Jenseits des Mythos, alles haben zu können“ („Beyond the Myth of Having it All“). Der Austausch über ihre und unsere persönlichen Erfahrungen bestärkte uns sehr. Wir sprachen über Partner, Großeltern, Hausarbeit, Schwangerschaft, Kinder und Verluste. Am Ende stand eine gemeinsame Erkenntnis: Was wirklich hilft, sind unterstützende Kolleginnen und Kollegen und flexible Strukturen.

Um unsere Peers kennenzulernen, waren die acht „Work-in-Progress“-Sessions zentral. In produktiver Atmosphäre präsentierten wir unsere Forschung, erhielten wertvolles Feedback von Kolleginnen und etablierten Forschenden und konnten unsere Projekte gezielt weiterentwickeln. Viele Diskussionen setzten sich in den Pausen oder beim Mittagessen fort. Die Teilnehmerinnen schätzten den großzügig bemessenen Zeitrahmen für Gespräche sehr – ob beim Kaffee oder beim gemeinsamen Ausflug zum Kölner Dom. Diese Offenheit spiegelte die durchdachte Planung der Veranstaltung wider, die die Summer School erneut zu einem ausgezeichneten Ort des intellektuellen Austauschs, der persönlichen Weiterentwicklung und der Vernetzung für Frauen in der Politischen Ökonomie machte.

 


Max Planck Summer School for Women in Political Economy 

Viele qualifizierte und talentierte Wissenschaftlerinnen verlassen nach der Promotion den akademischen Weg – häufig auch mangels Vorbilder und unterstützender Netzwerke. Mit der Max Planck Summer School for Women in Political Economy möchte das MPIfG dieser Entwicklung entgegenwirken.

Nach der erfolgreichen Premiere 2023 fand in diesem Jahr die zweite Ausgabe statt. Die Summer School versteht sich als inklusive Veranstaltung. Sie richtet sich an Frauen, nichtbinäre Personen und Menschen marginalisierten Geschlechts. Teilnehmen können Promovierende und Postdocs aus der Vergleichenden und Internationalen Politischen Ökonomie sowie angrenzenden Disziplinen.

Der fachliche und persönliche Austausch mit international renommierten Wissenschaftlerinnen ist inzwischen zu einem Markenzeichen der Summer School geworden. In diesem Jahr eröffnete Cornelia Woll (Hertie School) die Veranstaltung mit einem Vortrag zum Thema „Economic Statecraft and Negotiated Justice in Global Markets“.

Die Summer School wird vom Forschungsbereich Politische Ökonomie am MPIfG ausgerichtet. Zum diesjährigen Organisationsteam gehörten Pálma Polyák, Dustin Voss, Hanna Doose, Anna Hehenberger, Pauline Kohlhase und Camilla Locatelli.

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