Ökonomische und andere Werte in der Klimapolitik: Die Bewertung und Bepreisung von CO2

Andrés López Rivera

20. Dezember 2023

Standpunkt

Die Bepreisung wird häufig als kosteneffizienteste Lösung zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen angepriesen. Kaum ein anderes klimapolitisches Instrument hat bei den politischen Entscheidungsträgern so große Beachtung gefunden. Grundsätzlich gibt es zwei Arten der CO2-Bepreisung: CO2-Steuern und der Handel mit Emissionszertifikaten. Marktorientierte Ansätze wie der Emissionshandel legen einen ökonomischen Wert für Maßnahmen fest, die zur Reduzierung oder Entnahme von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen aus der Atmosphäre beitragen, wie beispielsweise der Bau einer Anlage für erneuerbare Energien oder die Durchführung von Aufforstungsprojekten. Derartige Maßnahmen generieren Emissionsgutschriften, durch die Kohlendioxid zu einer Ware für Markttransaktionen gemacht wird, in Abtrennung vom ökologischen und sozialen Kontext. Die Frage, wie sich die Auswirkungen dieser unterschiedlichen Maßnahmen auf das Klima und die Gesellschaft bepreisen lassen, bleibt jedoch umstritten und ist Kernpunkt einer anhaltenden Kontroverse darüber, wie die im Pariser Klimaabkommen von 2015 festgelegten marktbasierten Instrumente in die Praxis umgesetzt werden können.

»Der Wert einer CO2-Entnahme bemisst sich nicht nur danach, ob sie gut für das Klima ist, sondern auch danach, ob sie gut für die Gesellschaft als Ganzes ist.«

Vor dem Hintergrund des wachsenden Interesses an CO2-Entnahmen oder negativen Emissionen sieht das Pariser Abkommen einen neuen Rahmen für globale Kohlenstoffmärkte vor. Im Wesentlichen gibt es zwei Formen der CO2-Entnahme: auf natürlichem Weg, zum Beispiel durch die Aufforstung von Wäldern und die Wiederherstellung von Böden und mit technologischen Mitteln wie der Direct Air Capture zur Abscheidung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre mithilfe spezieller Anlagen. Die Erwartungen an einen zukünftigen weltweiten Markt für CO2-Entnahmen richten sich vor allem auf technologische Fortschritte, die die Entwicklung einer neuen CO2-Entnahme-Industrie begünstigen. Allerdings haben die UN jüngst technologische CO2-Entnahmen scharf kritisiert und sie damit als Möglichkeit, Emissionszertifikate zu erhalten, praktisch ausgeschlossen. Nach Ansicht der UN schafft eine solche Form der CO2-Entnahme Probleme im Bereich der Skalierbarkeit und der Kosteneffizienz sowie schwer kalkulierbare Risiken. Vor allem leistet sie auch keinen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung, die ein Grundpfeiler des marktbasierten Mechanismus des Pariser Abkommens ist. Mit anderen Worten: Der Wert einer CO2-Entnahme wird also nicht nur danach bemessen, ob sie gut für das Klima ist, sondern auch danach, ob sie gut für die Gesellschaft als Ganzes ist.

Die Kontroverse über negative Emissionen macht deutlich, wie die Maßnahmen zur Generierung von Emissionszertifikaten ökonomische und nichtökonomische Werte widerspiegeln. Im Rahmen meiner Forschung konnte ich diese Dynamik beim sozialen Widerstand der indigenen Bevölkerung im Amazonasgebiet gegen den Emissionshandel beobachten. Mehrere Länder dieses Gebiets planten politische Maßnahmen, um Wälder für den Handel mit Emissionszertifikaten zu bepreisen. Die indigenen Völker jedoch verwiesen auf die Bedeutung anderer, nichtökonomischer Werte von Waldökosystemen und indigenen Territorien im Allgemeinen. Konkret schlug der Dachverband der indigenen Organisationen des Amazonasbeckens, COICA, das Konzept der „indigenen Kohlenstoffspeicher“ (indigenous carbon) im Gegensatz zum rein forstlichen Konzept vor, um den bis dahin nicht anerkannten Beitrag indigener Territorien zum Klimaschutz hervorzuheben, der über die Funktion der Wälder als Kohlenstoffsenken hinausgeht. Die Mobilisierung zugunsten indigener Kohlenstoffspeicher zielte also darauf ab, diese anderen Werte, einschließlich der kulturellen und biologischen Vielfalt sowie der indigenen Selbstverwaltung der Wälder sichtbar zu machen. Entscheidend ist, dass sich diese Werte nicht immer aus wirtschaftlicher oder monetärer Sicht beurteilen lassen und häufig eines besonderen Schutzes bedürfen, damit sie nicht Teil des wirtschaftlichen Austauschs werden. Die indigenen Völker im Amazonasgebiet haben sich erfolgreich dafür eingesetzt, dass einige Länder der Region diese Werte in ihren politischen Maßnahmen berücksichtigt haben. Allerdings hat ihr Engagement bisher noch keine grundlegende Reform nationaler klimapolitischer Strategien bewirkt.

Das Engagement der indigenen Völker gegen den Emissionsrechtehandel im Amazonasgebiet lässt erahnen, welche weiteren Konflikte sich aus den laufenden Verhandlungen über die Kriterien für die Vergabe von Emissionszertifikaten im Rahmen der marktbasierten Instrumente des Pariser Abkommens ergeben können. Insbesondere die Kontroverse über die CO2-Entnahmen erscheint wie eine Fortführung dieser Kämpfe in Form einer technischen Auseinandersetzung über die Festlegung der verschiedenen Werte, die natürliche und technologische Maßnahmen für das Klima und die Gesellschaft generieren. Die laufenden Verhandlungen werden maßgeblichen Einfluss auf den künftigen Ausbau der Kohlenstoffmärkte und vor allem auch auf die Ausbreitung sozialökologischer Konflikte über diejenigen Werte haben, die nicht Teil des wirtschaftlichen Austauschs sind – oder sein sollten.

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