Wissenschaft als Beruf, nicht als Hobby

Post aus Warschau, Polen

Max-Planck-Wissenschaftler kooperieren mit Partnern in mehr als 110 Ländern dieser Erde. Hier schreiben sie über persönliche Erlebnisse und Eindrücke. Marcin Serafin studierte an der Universität in Warschau Soziologie. Für seine Doktorarbeit ging er an eine Max Planck Research School und genoss dort die Möglichkeit, sich komplett auf diese Aufgabe zu konzentrieren – das sei ein großer Unterschied zu den Arbeitsbedingungen eines Doktoranden in Polen.

Ich war schon auf der Highschool am sozialen Aspekt wirtschaftlicher Phänomene interessiert. Und auch später, während meines Masterstudiengangs am Institut für Soziologie an der Universität in Warschau, ließ mich das Interesse nicht los. Mir war damals allerdings nicht bekannt, dass diesem Thema ein komplettes Teilgebiet gewidmet ist, die sogenannte Wirtschaftssoziologie. Tatsächlich ermöglichte mir erst meine Zeit am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, dieses Gebiet zu entdecken und meine Interessen wirklich zu verfolgen.

In meiner Doktorarbeit untersuchte ich, wie sich verschiedene Lebensaspekte auf die Arbeitszeiten von Taxifahrern auswirken. Im Gegensatz zu anderen Berufsgruppen sind Taxifahrer keine Angestellten, die feste Arbeitszeiten haben. Sie sind vielmehr Einzelunternehmer, die flexibel entscheiden können, wann und wie lange sie arbeiten wollen. Somit richten sich ihre Arbeits-zeiten, die in anderen Berufen durch einen Arbeitsvertrag geregelt sind, an einem breiten Spektrum von Rahmenbedingungen aus, die in ökonomischen Standardmodellen oft vernachlässigt werden − etwa die Lebensumstände der Taxifahrer, deren Geschlecht oder Familienverhältnisse.

Ihre Arbeitszeiten sind auch das Resultat daraus, dass sie sich selbst nicht als Arbeiter sehen, sondern als Einzelunternehmer, die miteinander direkt in Konkurrenz stehen. Daher ist es schwierig, sie für ein gemeinsames Handeln zu mobilisieren und sie dazu zu bewegen, einer Gewerkschaft beizutreten, die für ihre Interessen eintritt. Für gewöhnlich kämpfen Berufsgruppen mithilfe von Gewerkschaften für bessere Arbeitsbedingungen und eine Begrenzung der Arbeitszeiten.

Während ich meine Doktorarbeit verfasste, erhielt ich sehr viel Unterstützung von meinem Institut und meiner International Max Planck Research School. Es war wirklich schön, dass es mir somit möglich war, mich komplett auf die vor mir liegende Aufgabe zu konzentrieren, ohne mich um Verwaltungs- oder Lehrangelegenheiten kümmern zu müssen. Das ist ein großer Unterschied, verglichen mit den Arbeitsbedingungen eines typischen Doktoranden der Sozialwissenschaften in Polen. Dort ist es schwierig, sich einfach nur auf die eigene Doktorarbeit zu konzentrieren. Gewöhnlich muss man noch andere Jobs annehmen, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, und so wird die Promotion oft eher zu einem Hobby oder einem Investment in die außerakademische Karriere.

Sicherlich, eine Karriere in der Wissenschaft ist überall schwierig, besonders dann, wenn man seine berufliche Laufbahn als Forschungsgruppenleiter frisch antritt. Es hat den Beginn meines Lebens in dieser Position um einiges einfacher gemacht, dass wir den Status einer Max-Planck-Partnergruppe erhalten haben, und ich wünschte wirklich, mehr Menschen wüssten von dieser Möglichkeit. Ich leite ein kleines und kreatives Team an der Polnischen Akademie der Wissenschaften, und wir haben vor, mehrmals pro Jahr nach Köln zum Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung zu pendeln. Wissenschaftler von dort werden auch nach Warschau kommen, da hier nächstes Jahr unser Auftaktworkshop stattfindet. Ich denke, mein Team wird diese Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut genießen.

Wir arbeiten in meinem Team an zwei Forschungsprojekten. Zum einen untersuchen wir, wie die Zukunftserwartungen der Menschen deren ökonomisches Verhalten in der Gegenwart beeinflussen. So ist etwa die Entscheidung, eine Hypothek auf ein Haus aufzunehmen, in den Erwartungen begründet, wie sich das eigene Leben in den nächsten 20 Jahren entwickelt – etwas, das sich sehr schwer vorhersagen lässt. Zum anderen untersuchen wir gerade, wie neue digitale Plattformen wie Airbnb und Uber das wirtschaftliche und soziale Leben neu strukturieren. Dies betrifft besonders die Arbeitsbedingungen, mit denen die Mitglieder dieser neuen Digital Economy konfrontiert sind, sowie deren Teilnahme an Gewerkschaften und verschiedenen anderen Formen gemeinschaftlicher Vorgehensweisen.

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