Ende einer gemeinsamen Zukunft: Der Brexit, die Krise des europäischen Projekts und die Macht enttäuschter Versprechen

Lisa Suckert

Der Brexit steht exemplarisch für eine wachsende, von breiten Bevölkerungsschichten getragene Ablehnung des „europäischen Projekts“. Während diese Entwicklung häufig mit der mangelnden Input- und Output-Legitimität der EU erklärt wird, geht diese Studie davon aus, dass sich die nachlassende Anziehungskraft der EU vornehmlich aus enttäuschten Versprechen über eine bessere Zukunft speist. Am Beispiel des Brexits wird eine Perspektive aufgegriffen, die auf die Zukunftsvorstellungen von Akteuren zielt. Es wird untersucht, wie sich mit der EU assoziierte Versprechen und Erwartungen seit 1975 verändert haben und welchen Mustern dieser Wandel folgt. Bezug nehmend auf Theorien zur Erschöpfung der Moderne werden vier Entwicklungen identifiziert, von denen angenommen wird, dass sie den „promissory appeal“ der europäischen Institutionen unterminieren: die Individualisierung von Zukunftsvorstellungen; die schwindende Überzeugung, Handlungsmacht über die Zukunft zu haben; die Wahrnehmung der Zukunft als eine Rückkehr in die Vergangenheit; und die zunehmende Stratifikation von Zukunftserwartungen. Für Großbritannien werden diese Entwicklungen entlang eines Mixed-Methods-Ansatzes untersucht, der sich auf historisches Kampagnenmaterial und Längsschnitt-Umfragedaten stützt. Eine komparative Untersuchung weiterer EU-Länder zeigt schließlich, inwieweit die gezeigten Entwicklungen einzigartig britisch oder aufschlussreich für die breitere Krise der EU sind.

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