Die Erschütterung der Zeit: Covid-19 als Herausforderung für die zeitliche Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft

Lisa Suckert

Die Corona-Krise fordert nicht nur die räumliche, sondern auch die zeitliche Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft heraus. Sie verändert, wie Menschen Zeit wahrnehmen, mit ihr umgehen und sie nutzen. Das Projekt baut auf theoretischen Ansätzen auf, die den Kapitalismus nicht nur als Produktions-, sondern auch als Zeitregime begreifen. Dieses wird unter anderem durch die Vermessung, Kommodifizierung und rationale Nutzung von Zeit, durch Beschleunigung sowie die Appropriation der Zukunft geprägt. Im Zuge der Corona-Krise wurden viele dieser Elemente jedoch in Frage gestellt: Zeitbudgets wurden umverteilt, zum Beispiel von Erwerbsarbeit und Konsum hin zu dekommodifizierter Sorgearbeit und Freizeit; statt zu beschleunigen, galt es zu verlangsamen und geduldig zu bleiben; die Vorstellung einer plan- und gestaltbaren Zukunft wurde durch radikale Unsicherheit ersetzt. Die erkennbaren ökonomischen und sozialen Verwerfungen lassen sich so auch als Erschütterung des kapitalistischen Zeitregimes verstehen. Ziel der Studie ist, die verbundenen Herausforderungen systematisch aus einer zeitsoziologischen Perspektive heraus zu reflektieren. In einem Teilprojekt, durchgeführt in Zusammenarbeit mit dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP), soll diese Refiguration der zeitlichen Ordnung mithilfe von Umfragedaten empirisch erfasst und insbesondere die soziale Struktur der Umbrüche aufgezeigt werden.

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