Deutschlands Leistungsbilanzüberschuss und nationale Präferenzen in der EU
Margarethe Hummel
Seit der Einführung immer neuer Zölle durch Donald Trump werden Leistungsbilanzungleichgewichte (vor allem Handelsbilanzüberschüsse und –defizite) erneut öffentlich diskutiert. Dabei geht es vor allem um die damit verbundenen makroökonomischen Kosten, beispielsweise um die Auswirkungen für die inländische Beschäftigung, als auch um die entstehenden wirtschaftlichen, technologischen sowie geopolitischen Abhängigkeiten. Innerhalb der Europäischen Union sind die anhaltenden Leistungsbilanzüberschüsse Deutschlands seit 2001 ein prägendes Merkmal, jedoch bleibt das deutsche Ungleichgewicht trotz der Kritik anderer EU-Staaten unangefochten. Die Kritik der EU-Staaten richtet sich neuerdings außerdem erstrangig gegen den Leistungsbilanzüberschuss Chinas. Das Dissertationsprojekt identifiziert und analysiert die Präferenzen der nationalen Regierungen der EU in Bezug auf die anhaltenden deutschen Leistungsbilanzüberschüsse, um herauszufinden, wie und wann Regierungen beschließen, Ungleichgewichte zu politisieren. Es untersucht quantitativ, welche Länder und Sektoren außerhalb Deutschlands vom deutschen Wachstumsmodell, dem Treiber deutscher Leistungsbilanzüberschüsse, profitiert. Weiterhin werden anhand von qualitativen Fallstudien die Präferenzbildungsprozesse von drei nationalen Regierungen der EU – Frankreich, Italien und Polen – nachgezeichnet. Schlussendlich soll aufgezeigt werden, wie sich die Kritik an einem Leistungsbilanzüberschuss innerhalb der EU (Deutschland) zu einem Leistungsbilanzüberschuss außerhalb der EU (China) verschoben hat, um so das Verständnis von EU-internen Kohäsionsprozessen zu verfeinern.