Die Verwissenschaftlichung von Zentralbanken

Edin Ibrocevic

Zentralbanken haben in den letzten dreißig Jahren eine außergewöhnliche Transformation erfahren. Schien Geldpolitik einmal eine Art obskurer Kunst zu sein, die nur von Zentralbankpräsidenten beherrscht wurde, so gleicht sie heute einer technokratischen und präzisen Wissenschaft. Der Prozess der Verwissenschaftlichung fand jedoch nicht bei allen Zentralbanken gleichzeitig und zum gleichen Grad statt. Während die US-Zentralbank mit all ihren Ablegern bereits in den 1970er-Jahren erste Forschungsabteilungen schuf, hingen die meisten G20-Zentralbanken noch Jahrzehnte nach. Heutzutage haben fast alle Zentralbanken Forschungsabteilungen, wissenschaftliche Publikationen und bieten interne Forschungslaufbahnen oder temporäre Forschungsstellen an. Weil die Unterschiede in der Verwissenschaftlichung von Zentralbanken bis jetzt in der Literatur kaum erfasst wurden, ist es Ziel des Projekts, die durch die Verwissenschaftlichung entstandenen Strukturen und Dynamiken in der Wissensproduktion von Zentralbanken sowie die Auswirkungen auf Institutionen und Zentralbankpolitik zu erforschen. Hierzu werden Theorien des soziologischen Institutionalismus, die Feldtheorie Bourdieus und die Soziologie der Übersetzung miteinander kombiniert. Empirisch stützt sich die Studie auf quantitative und qualitative Dokumentenanalysen aller wissenschaftlichen Veröffentlichungen von Zentralbanken, des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Bank for International Settlements (BIS) sowie Experteninterviews. Projektdauer: Oktober 2019 bis März 2023.

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