Die Grenzen liberalen Regierens und das Streben der Federal Reserve nach eingebetteter Autonomie

Julian Jürgenmeyer

Liberale Gesellschaftsvorstellungen beruhen auf einer Reihe von Unterscheidungen, die die Welt in differenzierte Sphären aufteilt, etwa Staat und Wirtschaft oder Privatsphäre und Öffentlichkeit. Real existierende Regierungspraktiken unterlaufen jedoch fortwährend die so gezogenen Grenzen. Das Projekt untersucht am Beispiel der Federal Reserve, wie staatliche Organisationen ihre Einbettung in die Wirtschaft zu legitimieren suchen. In Reaktion auf Angriffe, denen zufolge sie entweder von privaten Interessengruppen vereinnahmt sind oder politische Erwägungen in eine andernfalls unpolitische Wirtschaft einschleusen, entwickeln Regulierungsbehörden Autonomisierungsstrategien, um sich als neutrale Hüter des öffentlichen Interesses zu präsentieren. Auf der Grundlage von Archiv- und Interviewmaterial werden derlei Autonomisierungsstrategien und ihre Konsequenzen in mehreren repräsentativen Episoden in der Geschichte der Federal Reserve rekonstruiert, darunter die Erfindung makroökonomischer Geldpolitik in den 1920er-Jahren und ihre Maßnahmen während der Finanzkrise von 2008. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei der Bankenaufsicht geschenkt, einer Praxis an der Schnittstelle von Staat und Wirtschaft, die in der existierenden Forschung fast gänzlich ignoriert worden ist. So trägt das Projekt zur sozialwissenschaftlichen Erforschung von Zentralbanken, aber auch zur allgemeineren soziologischen Forschung zu Expertenpraktiken, bürokratischer Autonomie und Staatstransformationen bei. Es sind mehrere Artikelveröffentlichungen und ein Buchmanuskript geplant.

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