Vorbereitung auf ein postneoliberales Zeitalter? Die Politische Ökonomie der europäischen Industriepolitik

Luuk Schmitz (Europäisches Hochschulinstitut, EUI)

Europäische Integration ist untrennbar verbunden mit der Governance von Industrien. Vom ersten Schritt der Aussöhnung zwischen Frankreich und Deutschland war Industriepolitik ein Leitmotiv europäischer Kooperation. Die meisten Interpretationen der Geschichte europäischer Integration betonen die zunehmende Marktorientierung europäischer Regulierung und die Zurückdrängung der Rolle des Staates. Im Verlauf der letzten zehn Jahre sind jedoch einige Abweichungen von diesem regulatorischen Paradigma festzustellen. In der jüngeren Vergangenheit wurde mit dem Green New Deal der Umbau von Wirtschaftssektoren in Netto-Null-Sektoren beschlossen; mit dem europäischen Digital Services Act die Macht großer Technologieunternehmen eingeschränkt; es wurde eine Orientierung der Handelspolitik weg von freiem Handel hin zu strategischer Autonomie debattiert; sowie die Regeln für Wettbewerb und Staatsbeihilfen in der EU geändert, um europäische Unternehmen zu begünstigen. Angesichts dieser Entwicklungen stellt sich die Frage, wie es dazu kommt, dass aus einer Politik staatsferner Institutionen staatsinterventionistische Maßnahmen hervorgehen. Das Projekt argumentiert, dass der exogene Schock eines veränderten geopolitischen Umfelds Raum schafft, etabliertes Wissen infrage zu stellen und sich dadurch die Machtbalance rekalibriert, an der sich die europäische Integration orientiert. Die Studie kombiniert eine Analyse industriepolitischer Maßnahmen auf EU- und Mitgliedsstaatenebene mit Interviews, Netzwerk- und Dokumentenanalysen.

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