MPIfG Working Paper 04/6, November 2004
Legitimationskonzepte jenseits des Nationalstaats
Prof. Dr. emer. Fritz W. Scharpf
,
Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung
Zusammenfassung
Legitimationsbedürftig ist herrschaftliches Handeln,
das die Präferenzen oder Interessen der Betroffenen verletzt. In demokratischen
politischen Systemen kann solches Handeln entweder input-orientiert durch Bezug
auf die kollektiven Präferenzen oder output-orientiert durch Bezug auf die
gemeinsamen Interessen der Regierten legitimiert werden. Im Nationalstaat
ergänzen und verstärken sich beide Arten von Argumenten; und beide finden ihre
Grundlage in politischen Institutionen, welche die direkte oder indirekte
Abhängigkeit der Regierenden von den Regierten sichern, effektives politisches
Handeln ermöglichen und den Mißbrauch der Regierungsmacht verhindern sollen.
Jenseits des Nationalstaats fehlen nicht nur
wesentliche institutionelle Voraussetzungen der input-orientierten Legitimation,
sondern es fehlt auch die Voraussetzung einer starken kollektiven Identität, die
erst die Ausbildung kollektiver Präferenzen ermöglicht, die auch unfreiwillige
Umverteilung und zugemutete Sonderopfer legitimieren könnten. Die dann allein
verfügbare Output-Legitimation ist jedoch in ihrer Reichweite begrenzt. Sie kann
nicht die Verletzung gravierender Interessen der Regierten rechtfertigen. In der
Europäischen Union ist die Beachtung dieser normativen Beschränkung zwar durch
die Veto-Struktur ihrer „politischen“ Institutionen gewährleistet. Wenn hier
dennoch Legitimationsdefizite auftreten können, dann deshalb, weil anders als im
Nationalstaat in der EU das unmittelbar rechtswirksame Handeln der
„unpolitischen“ Institutionen (der Europäischen Zentralbank, des Europäischen
Gerichtshofs und der EU-Kommission bei Vertragsverletzungsverfahren) nicht der
letztlichen Kontrolle politisch verantwortlicher Instanzen unterliegt.
Außerhalb der EU fehlt dem Regieren auf der
internationalen Ebene die unmittelbare Rechtswirksamkeit. Die
Legitimationsgrundlage der Zustimmung der (ihren Wählern gegenüber politisch
verantwortlichen) nationalen Regierungen bleibt also unangetastet. Anders als in
der EU können hier internationale Umverteilung und solidarisches Handeln nicht
durch supranationale Instanzen oder durch Mehrheitsbeschluß oktroyiert werden.
Sie sind freilich auch nicht ausgeschlossen. Aber ihre Legitimation kann nur
input-orientiert durch Diskurse in den nationalen politischen Systemen begründet
werden, deren Bürger ja frei sind, die eigenen Präferenzen solidarisch oder auch
altruistisch zu definieren.
Abstract
Governing acts violating the preferences or
interests of the governed require legitimation. In democratic political systems,
such acts may be legitimated either by the “input-oriented” reference to the
collective preferences of the governed, or by the output-oriented reference to
their interests. In the nation state, both types of legitimating arguments will
complement and reinforce each other; and both are supported by political
institutions which are meant to ensure the dependence of governors on the
governed, to enable effective political action, and to prevent the abuse of
governing powers.
Beyond the nation state, the institutional
prerequisites of input-oriented legitimacy are weak or lacking. Even more
important is the lack of a “thick” collective identity that could support
collective preferences legitimating involuntary redistribution and uncompensated
sacrifices. What is possible is output legitimacy, but its normative reach is
limited. It could not justify the violation of salient interests of the governed.
In the European Union, these normative constraints are fully reflected in the
multiple-veto structure of its “political” institutions. If legitimacy deficits
may nevertheless arise, they are due to the fact that the directly effective
actions of the EU’s “non-political” institutions (the European Central Bank, the
European Court of Justice, and the EU Commission when prosecuting Treaty
infringements) are not under the ultimate control of politically accountable
actors.
Outside of the EU, governing at the international
level lacks direct effectiveness. Hence the legitimacy base of agreement by
politically accountable national governments remains intact. As a consequence,
international redistribution and uncompensated sacrifices cannot be simply
imposed, either by supranational authorities or by majority votes. That does not
mean that such policy choices are categorically excluded. But their legitimacy
can only be grounded in national political discourses – where citizens remain
free to define their preferences in solidaristic or altruistic fashion.
Inhalt
Literatur
1 Legitimationsprobleme in der Europawissenschaft
Aus der Perspektive einer wie immer zu konzipierenden
Europawissenschaft erscheint die Frage nach der Legitimität europäischen
Regierens eng verknüpft mit der ungeklärten „Finalität Europas“. Wer als Ziel
der europäischen Integration den großen Bundesstaat erreichen will, der muß die
Union notwendigerweise nach den für den Nationalstaat gültigen
Legitimationskriterien beurteilen – und sich dann mit den Argumenten zum
„europäischen Demokratiedefizit“ auseinandersetzen. Wer umgekehrt die Finalität
Europas schon mit der Vollendung des Binnenmarktes erreicht sieht und eine
weitergehende politische Integration für unerwünscht, oder jedenfalls nach der
Osterweiterung auf lange Sicht für unerreichbar hält, der kann der Union im
Vergleich zu allen anderen internationalen Organisationen sogar einen
außerordentlich hohen Grad der institutionellen Legitimität zusprechen.
Analytisch führen diese konkret-komparativen Urteile jedoch nicht weiter.
Deshalb will ich im Folgenden mit einer abstrakteren Diskussion über die
Funktion von Legitimität beginnen, die Gesichtspunkte für eine differenzierende
Spezifikation von Legitimationsargumenten liefern soll.
2 Die Funktion von Legitimität
Legitimationsargumente, die vom sozialen Umfeld des
Handelnden anerkannt werden, verweisen auf Sachverhalte, welche die moralische
Verpflichtung begründen, herrschaftliche Gebote und Verbote auch dann zu
befolgen, wenn diese den eigenen Interessen oder Präferenzen zuwiderlaufen,
selbst wenn der Eintritt formaler Sanktionen unwahrscheinlich ist. Fehlt diese
auf Internalisierung und soziale Kontrolle gegründete Folgebereitschaft der
Adressaten, so sinkt die Effektivität oder es steigen die Kontroll- und
Erzwingungskosten des Regierens. Legitimität ist also die funktionale
Voraussetzung der Möglichkeit von zugleich effizienter und liberaler Herrschaft.
Wird diese Funktionsbeschreibung akzeptiert, so folgt
daraus auch, daß der Legitimationsbedarf des Regierens mit der Schwere
der potentiellen Verletzung von Interessen und Präferenzen variiert – und daß es
dementsprechend auch Argumente mit abgestufter Legitimationskraft geben
kann, die für unterschiedliche Konstellationen der Herrschaftsausübung entweder
ausreichen oder mindestens erforderlich sind. Im innerstaatlichen
Verfassungsrecht entspricht dieser doppelten Variationsmöglichkeit des
Legitimationsbedarfs und der Legitimationskraft die abgestufte Systematik der
Rechtsquellen und insbesondere der Vorbehalt des parlamentarischen Gesetzes bei
Eingriffen in Freiheit und Recht. Mit anderen Worten, je schwächer die
Legitimationskraft des jeweiligen Arguments, desto weniger gravierend die
herrschaftlichen Zumutungen, die damit legitimiert werden können.
2.1 Legitimationsbedarf
Herrschaftliche Maßnahmen, die den manifesten Präferenzen
des Betroffenen entsprechen, bedürfen keiner Legitimation. Volenti non fit
iniuria. Aber das gilt, wie jeder Zivilrechtsstudent lernen muß, schon nicht
mehr für objektiv vorteilhafte aber subjektiv unerwünschte Geschenke – und erst
recht gilt es nicht für präferenzwidrige Maßnahmen, von denen man „bei
vernünftiger Betrachtung“ sagen könnte, daß sie trotz erheblicher Nachteile
per saldo doch im „wohlverstandenen Interesse“ der Betroffenen lägen.
Jenseits der Bagatellschwelle kommt es für den
Legitimationsbedarf aber nicht nur auf das Gewicht der (potentiell) verletzten
Interessen und Präferenzen des einzelnen Betroffenen an, sondern auch auf die
Bedeutung des Eingriffs für die Relation zwischen den mehreren Betroffenen. Für
den ersten Aspekt wird man sich an der impliziten Rangfolge der Rechtsgüter im
Strafrecht und Schadensersatzrecht orientieren können – Leben, körperliche
Integrität, Freiheit, Eigentum etc., ohne daß damit schon alle Fragen zu
beantworten wären. Worauf es ankommt ist die Intensität der Wertschätzung. Das
Kopftuchverbot kann eine triviale Beschränkung im Gebrauch des Eigentums oder
eine gravierende Verletzung der Religionsfreiheit sein. Aber bei der
Herrschaftsausübung geht es immer auch um Fragen der komparativen Gerechtigkeit
und um die Regelung der Beziehungen zwischen den Regierten. Zu deren
Charakterisierung kann man eine einfache spieltheoretische Typologie möglicher
Akteurkonstellationen heranziehen (Zürn 1992; Scharpf 2000b, Kapitel 4), die
zugleich weitere Argumente für eine Abstufung des Legitimationsbedarfs liefern
kann.
Am unteren Ende der Skala stehen die „reinen
Koordinationsspiele“, bei denen die prinzipiell gleichgerichteten Interessen der
Beteiligten nur verwirklicht werden können, wenn sie sich gemeinsam an einer von
mehreren möglichen Regeln orientieren. Rechts- oder Linksverkehr auf der Straße
ist das sinnfälligste Beispiel, aber auch bei vielen technischen Normen und
manchen Regelungen des Zivil- und Handelsrechts, der internationalen lex
mercatoria, des internationalen Zahlungsverkehrs oder des Zugangs zum
Internet kommt es weniger darauf an, ob sie so oder so definiert werden, solange
nur alle Beteiligten sich an dieselbe Norm halten können. Im Prinzip könnten
solche Ergebnisse auch durch wechselseitige Anpassung oder freiwillige
Vereinbarungen erreicht werden, aber die herrschaftliche Regelung kann
Transaktionskosten sparen.
Der Legitimationsbedarf steigt erheblich bei den
„Koordinationsspielen mit Verteilungskonflikt“, bei denen zwar ein allseitiges
Interesse an einer Regelung vorausgesetzt werden kann, aber die mehreren
verfügbaren Lösungen sich in der Verteilung von Vorteilen und Nachteilen
erheblich unterscheiden. Man denke an die Rechtsfolgen einer Scheidung, das
Verhältnis von Mietern und Hausbesitzern, von Herstellern und Konsumenten oder
von Aktionären, Vorständen und Betriebsräten im Unternehmen. Hier können
wechselseitige Anpassung und freiwillige Vereinbarungen entweder ganz scheitern
oder – bei asymmetrischer Verhandlungsmacht – normativ unakzeptable Lösungen
hervorbringen. Aber die dann im Prinzip von allen erwünschte hierarchische
Koordination bedarf einer starken Legitimation gegenüber jenen Beteiligten, die
durch den Oktroi in ihren Interessen relativ benachteiligt werden.
Aus anderen Gründen gilt dies auch für
Akteurkonstellationen, die dem Typ eines Dilemma-Spiels entsprechen, bei dem
zwar unkoordiniertes Vorgehen für alle Beteiligten schädlich wäre, aber jeder
für sich noch besser abschneiden könnte, wenn er die von den anderen
eingehaltenen Koordinationsregeln verletzt. Man denke etwa an Preisabsprachen
oder die Vereinbarung von Umweltstandards und Arbeitsschutzbestimmungen zwischen
konkurrierenden Unternehmen, oder an „codes of conduct“ für
Unternehmenssubventionen und Steuervergünstigungen im Verhältnis zwischen
EU-Ländern. Hier ist die Einigung über gemeinsame Regeln oft relativ leicht zu
erreichen, aber deren Einhaltung bleibt ohne legitimationsbedürftige
herrschaftliche Durchsetzung prinzipiell problematisch. Wenn überdies die
gemeinsamen Regeln ungleiche Auswirkungen auf die Interessen der Beteiligten
haben sollten, was zumeist der Fall sein wird, dann wird auch die freiwillige
Einigung auf die Standards unwahrscheinlich und müßte durch
legitimationsbedürftige hierarchische Koordination ersetzt werden.
Der höchste Legitimationsbedarf entsteht jedoch bei der
Regelung von Nullsummenkonflikten, wenn die Befriedigung der Interessen einer
Gruppe (oder der Gesamtheit) nur auf Kosten der Interessen einer anderen Gruppe
(oder der Gesamtheit) erfolgen kann. Beispiele dafür sind aus dem allgemeinen
Steueraufkommen finanzierte Sozialleistungen oder auch die auf junge Männer
beschränkte allgemeine Wehrpflicht. Während in allen bisher diskutierten
Akteurkonstellationen auch die relativ benachteiligten Gruppen aus der
herrschaftlichen Regelung einen eigenen Vorteil beziehen, kann die
sozialpolitisch oder sonstwie motivierte Umverteilung oder die Einforderung von
Sonderopfern nicht mehr in gleicher Weise durch den Verweis auf die
„informierten Präferenzen“ und das „wohlverstandene Eigeninteresse“ der jeweils
negativ Betroffenen gestützt werden (Levy 1997).
2.2 Legitimationsargumente
Historisch und tatsächlich wurden und werden
herrschaftliche Zumutungen, die den eigenen Präferenzen und Interessen der
Betroffenen widersprechen, durch Bezug auf überindividuelle Legitimitätsquellen
begründet: auf Gottes Gebote, die religiös oder traditional begründete Autorität
des Monarchen, das „gute alte Recht“, das Naturrecht, das persönliche Charisma
eines Führers und – im Zeitalter der „Volkssouveränität“ immer ausschließlicher
– durch den Bezug auf die hinter Verfassung und Gesetzgebung stehenden
kollektiven Präferenzen und Interessen der Mitglieder der jeweils verfaßten
politischen Einheit. Nur von dieser westlich-modernen und im Prinzip
demokratischen Begründung von Legitimationsargumenten soll im Folgenden die Rede
sein. Der hier ohne weitere Begründung eingeführte doppelte Bezug auf kollektive
Präferenzen und Interessen entspricht der in der
demokratietheoretischen Diskussion inzwischen akzeptierten Unterscheidung
zwischen input-orientierten und output-orientierten
Legitimationsargumenten (Scharpf 1970). Aus der ersten Perspektive kommt es
darauf an, herrschaftliche Anforderungen möglichst unverfälscht aus den
Präferenzen der Mitglieder des Gemeinwesens herzuleiten; für die zweite geht es
darum, daß die Ausübung der Herrschaft die Interessen der Mitglieder wirksam
fördern soll.
2.2.1 Input-orientierte Legitimation
Die Input-Perspektive muß zunächst von den
empirisch feststellbaren Präferenzen der realen Mitglieder des Gemeinwesens
ausgehen. Da diese aber durch Informationsdefizite, Denkfaulheit,
desorientierende Medien oder politische Demagogie verzerrt sein können, kann es
kaum normativ überzeugende Legitimationsargumente für eine „populistische“
Politik geben, die eben diese ungefilterten Präferenzen umzusetzen versucht.
Input-orientierte Versionen der Demokratietheorie postulieren deshalb zumindest
die Notwendigkeit informierter und reflektierter Präferenzbildung – ein „enlightened
understanding“ der Konsequenzen einer präferierten Politik (Dahl 1989: 307), das
jedenfalls Mißverständnisse in der Definition der eigenen „wahren“ Präferenzen
und damit kognitiv vermeidbare Konflikte zwischen den Beteiligten ausschließen
würde.[1]
Aber damit wäre – bei zwar empirisch aufgeklärten aber
(interessenbezogen oder normativ) weiterhin differierenden Präferenzen – noch
kein generell tragfähiges Legitimationsargument gewonnen. Kenneth Arrow hat
gezeigt, daß es keine perfekte Entscheidungsregel gibt, welche divergente (und
sachlich nicht vorab eingeschränkte) individuelle Präferenzen zu einer in sich
konsistenten und minimalen normativen Anforderungen genügenden kollektiven
Präferenzordnung aggregieren könnte (Arrow 1951). Daraus folgt aber auch, daß
jede real praktizierte Aggregationsregel das Ergebnis in normativ nicht
vertretbarer Weise verzerren könnte: Die Mehrheitsregel erlaubt die
Unterdrückung der Minderheit; werden aber qualifizierte Mehrheiten oder gar
Einstimmigkeit gefordert, so ermöglicht man die Diktatur von
status-quo-orientierten Minderheiten. Kurz: Aus der Aggregation
individualistischer Präferenzen (Rousseaus „volonté de tous“) lassen sich
normativ plausible Legitimationsargumente nicht herleiten.
Um aus der input-orientierten Perspektive zur
legitimationskräftigen volonté générale zu gelangen, bedarf es also einer
normativen Einschränkung oder diskursiven „Veredelung“ der (im Arrow-Theorem
unterstellten) freien Präferenzbildung. Gefordert ist eine solidarische
Umorientierung bei der Bildung der eigenen Präferenzen – von der exklusiven
Ich-Identität zur Anerkennung einer „Wir-Identität“, welche die anderen
Mitglieder des jeweiligen Kollektivs – der Familie, der Gruppe, der Nation –
einschließt (Elias 1987). Diese Umorientierung darf freilich nicht
postulatorisch unterstellt werden, sonst verkommt die input-orientierte
Demokratietheorie zur Legitimation totalitärer Herrschaft (Talmon 1955). Erst
die reale Gemeinschaftsorientierung der Mitglieder – ihr „Gemeinsinn“
(Münkler/Bluhm 2001) – läßt die scheinbar urdemokratische Mehrheitsregel
normativ vertretbar erscheinen, weil nur dann die Minderheit die Entscheidung
der Mehrheit auch dann akzeptieren kann, wenn diese unkompensierte Sonderopfer
auferlegt;[2] und erst die vermutete Wir-Identität läßt die behauptete Analogie
zwischen wahrheitsorientierten akademischen Diskursen und dem Entscheidungsmodus
einer „deliberativen Demokratie“ (Elster 1998; Habermas 1992; Dryzek 1990) über
politische Optionen, bei denen existentielle Interessen der Beteiligten auf dem
Spiel stehen können, überhaupt diskutabel erscheinen.[3] Weil dies so ist, wird die
Voraussetzung einer realen und tragfähigen Wir-Identität zur Achillesferse der
Anwendung input-orientierter Legitimationsargumente auf Herrschaftsverhältnisse
„jenseits des Nationalstaats“. Ich werde darauf zurückkommen.
2.2.2 Output-orientierte Legitimation
Wendet man sich von den input-orientierten zu den
output-orientierten Legitimationsargumenten, die sich auf die Inhalte möglicher
Politik beziehen, so steht an erster Stelle das reflexive Kriterium der
Gewährleistung des demokratischen Verfassungsstaats selbst und der dafür
konstitutiven Freiheits- und Mitwirkungsrechte der Regierten. Im übrigen
wechselt nun die Perspektive von den kommunizierten Präferenzen zu den
Interessen der Regierten. Während die input-orientierte Demokratietheorie
die authentischen (aber reflektierten) Äußerungen der Regierten als
unhintergehbar subjektiven Tatbestand behandeln und zur Richtschnur der Politik
machen muß, geht es aus der output-orientierten Perspektive im Prinzip um
objektive Anforderungen an die Regierenden.[4] Diese sollen, in der Sprache des
Amtseids nach Artikel 56 des Grundgesetzes, ihre „Kraft dem Wohle des Volkes
widmen, seinen Nutzen mehren (und) Schaden von ihm wenden …“. Diese Formel hat
eine negative und eine positive Stoßrichtung. Negativ richtet sie sich gegen die
Versuchungen des Machtmißbrauchs: Die Regierenden dürfen die ihrem „Amt“ (Hennis
2000) verliehene Herrschaftsgewalt nicht für eigene oder parteiische Zwecke
einsetzen. Die positive Stoßrichtung impliziert dagegen eine
„Problemlösungsperspektive“: Die Regierenden haben die Aufgabe, mit den Mitteln
des Herrschaftsverbandes Schaden abzuwenden und den gemeinsamen Nutzen des
„Volkes“ zu fördern.
Dabei kann der zu mehrende Nutzen auf einer ersten Stufe
durchaus individualistisch verstanden werden – als Förderung der Interessen der
individuellen Mitglieder des Gemeinwesens, deren objektive, oder jedenfalls
„sozial konstruierte“ Definition im politischen Prozeß als „common knowledge“
behandelt werden kann. Da es aus der Output-Perspektive auf subjektive
Fehleinschätzungen der Regierten nicht ankommt, erstreckt sich der
Anwendungsbereich individualistischer Legitimationsargumente auf alle
politischen Entscheidungen, deren Ergebnis bei objektiver Betrachtung niemanden
schlechter und mindestens einige besser stellen würde als im Status quo. Dieses
am individuellen Nettonutzen orientierte Legitimationsargument entspricht dem
bekannten und von der ökonomischen Wohlfahrtstheorie favorisierten Pareto-Kriterium.
Sein Geltungsbereich erstreckt sich also nicht nur auf die sehr seltenen
„reinen“ Koordinations- und Dilemmaspiele, sondern (da es hier auf die
Verteilung von Netto-Vorteilen gerade nicht[5] ankommen soll), auch auf die
viel häufigeren Positivsummen-Spiele mit Verteilungskonflikten, für deren
normativ befriedigende Regelung[6] eine input-orientierte Legitimation nur schwer
zu erreichen wäre.
Die am Pareto-Kriterium orientierte Output-Legitimation
deckt jedoch nicht politische Entscheidungen in Nullsummenkonflikten oder in
Konstellationen, in denen Wohlfahrtsgewinne für die Gesamtheit nur erreicht
werden können, wenn einem Teil der Betroffenen unkompensierte Sonderopfer
abverlangt werden. Diese Einschränkung ist gravierend, denn sie schließt nicht
nur jede umverteilende Sozialpolitik aus, sondern auch die gesetzliche
Wehrpflicht oder die meisten Regeln im Umweltschutz, Naturschutz oder
Verbraucherschutz und im Prinzip sogar die Finanzierung der Staatsaufgaben aus
dem allgemeinen Steueraufkommen.[7] Wenn die Politik auf solche Maßnahmen nicht
verzichten kann und soll, dann bedürfte es also auch hier eines Wechsels von
individualistischen zu kollektivistischen Legitimationsargumenten. In der
ökonomischen Wohlfahrtstheorie entspräche diesen das utilitaristische Kaldor-Prinzip,
demzufolge staatliche Maßnahmen dann vertretbar erscheinen, wenn die Summe der
dadurch erzielbaren Nutzengewinne ausreichen würde, um auch die Verlierer zu
entschädigen (Kaldor 1939; Harsanyi 1955). In der politischen Theorie
korrespondieren damit die Themen der gerade in Deutschland in den letzten Jahren
erneuerten Gemeinwohl-Diskussion (vgl. u.a. Münkler/Bluhm 2002; Schuppert/Neidhardt
2002; Brugger/Kirste/Anderheiden 1992; Große-Kracht 2004).
In der Wohlfahrtsökonomik ist freilich der Utilitarismus
in Mißkredit geraten, weil er die Möglichkeit eines interindividuellen
Nutzenvergleichs voraussetzen müßte. Daß ein solcher mit wissenschaftlichen
Methoden grundsätzlich nicht geleistet werden kann, ist trotz der Konstruktionen
der Kosten-Nutzen-Analytiker heute auch unbestritten. Aber dies ändert nichts
daran, daß der kollektive Bezug auf die Gesamtheit der Gewinner und Verlierer
der realen Problematik politischer Entscheidungen entspricht, die Tag für Tag
eine Abwägung mehrdimensionaler Vor- und Nachteile für unterschiedliche Gruppen
erfordern. Deshalb muß sich auch die Gemeinwohldiskussion in der politischen
Theorie von diesen ungelösten und unlösbaren Meßproblemen nicht abschrecken
lassen.
Umso wichtiger erscheint dagegen die normative Grundfrage
jeder utilitaristischen Ethik: Weshalb eigentlich sollten die Verlierer den
positiven Nutzensaldo für die Gesamtheit – oder gar die möglicherweise mit einer
negativen Nutzenbilanz erkaufte „soziale Gerechtigkeit“ im egalitären
Sozialstaat – als valides Legitimationsargument für die Zumutung von Einbußen
und Sonderopfern respektieren? Interessanterweise erscheint auch die neuere
Gemeinwohldiskussion (im Gegensatz etwa zur Behandlung bei Hobbes oder Rousseau)
gerade in dieser Hinsicht wenig ergiebig. Von wenigen Ausnahmen abgesehen[8] geht
es dort um die historische Entwicklung, den substantiellen Gehalt und die
Kriterien der Gemeinwohlsemantik, verstanden als Verpflichtung der
Regierenden, und um institutionelle Bedingungen, die eine
gemeinwohlorientierte Politik fördern können. Deren verpflichtende Wirkung
gegenüber den Regierten wird dagegen meist vorausgesetzt oder allenfalls
in ihrer Effektivität gegenüber den in globalen Märkten operierenden Unternehmen
in Frage gestellt (Nutzinger 2002).
Diese Fehlanzeige ist nicht einer zufälligen Verteilung
wissenschaftlicher Aufmerksamkeit geschuldet, sondern weist darauf hin, daß der
von individuellen Interessen ausgehende Utilitarismus selbst nicht in der Lage
ist, eine moralische Pflicht zur Hinnahme individueller Opfer zugunsten der „greatest
happiness of the greatest number“ zu begründen (vgl. Höffe 1987).
Verpflichtungscharakter hätte allenfalls eine dritte, über das Pareto- und das
Kaldor-Prinzip hinausgehende, holistische, organismische, systembezogene oder
solidaristische Variante output-orientierter Legitimationsargumente. Deren
Perversion durch den Nationalsozialismus („Du bist nichts, Dein Volk ist alles“)
und andere totalitäre Regimes läßt die heutigen westlichen Demokratien und ihre
dem normativen Individualismus verpflichteten Theoretiker jedoch vor der
Berufung auf genuin kollektivistische Legitimationsargumente zurückscheuen.
Herfried Münkler, der spiritus rector des großen „Gemeinwohl-und-Gemeinsinn“-Projekts
der Berlin-Brandenburgischen Akademie, hält deshalb auch „Begriff und Idee der
Solidarität“ für das „Stiefkind der Moralphilosophie“ (Münkler 2004: 15); und
Renate Mayntz, die im Anschluß an Parsons den kategorialen Unterschied zwischen
aggregiertem Individualnutzen und „Systemnutzen“ herausgearbeitet hat (Mayntz
2001), hat aus dieser analytischen Unterscheidung jedenfalls nicht den
normativen Vorrang des Gesamtsystems vor den Interessen seiner Mitglieder
abgeleitet.
Ohne einen solchen Kollektivbezug freilich kann eine rein
output-orientierte Perspektive nicht über vom Pareto-Prinzip abgeleitete
Legitimationsargumente hinausgehen, die an das „wohlverstandene Eigeninteresse“
der Regierten appellieren. Damit kann zwar, wie gesagt, die Regelung von
Koordinations- und Dilemmakonstellationen auch dann legitimiert werden, wenn die
Vorteile ungleich verteilt sind. Ausgeschlossen wären jedoch sozialpolitische
Umverteilung und alle anderen Regelungen, die nicht kompensierte
(„solidarische“) Sonderopfer verlangen. Für diese bleiben moderne politische
Systeme ausschließlich auf input-orientierte Legitimationsargumente angewiesen.
Nur die Bürger selbst sind frei in der Wahl einer kollektiven Identität, die
Mehrheitsherrschaft legitimieren könnte; und nur sie selbst können entweder
gemeinwohlbezogene oder sogar altruistische Kriterien in die Spezifikation ihrer
eigenen Präferenzen aufnehmen. Ohne die eine oder andere dieser Grundlagen aber
könnte die Zumutung unkompensierter Opfer nicht legitimiert werden.
3 Institutionelle Bedingungen im Nationalstaat
Wie aber können die Bedingungen input-orientierter und
output-orientierter Legitimationsargumente in realen politischen Systemen
erfüllt werden? Es ist klar, daß es dabei nicht um die Frage gehen kann, ob das
einzelne Gesetz dem aufgeklärten Volkswillen oder ob der einzelne Regierungs-
oder Verwaltungsakt dem Gemeinwohl entspreche. Legitimität kann nur der
politischen Ordnung zugesprochen oder aberkannt werden, in deren Rahmen Politik
gestaltet und vollzogen wird. Es geht also um institutionalisierte Strukturen
und Prozesse, welche geeignet erscheinen, die jeweils mehreren und potentiell
widersprüchlichen normativen Anforderungen der input- und output-orientierten
Legitimationsargumente zu erfüllen:
– Die Ziele der Politik sollen von den Präferenzen der
Regierten bestimmt werden, aber nur wenn diese „aufgeklärt“ und von „Gemeinsinn“
geprägt sind.
– Die Regierenden sollen zu effektivem politischem Handeln
befähigt werden, aber nur wenn dieses dem Gemeinwohl dient und Machtmißbrauch
ausgeschlossen wird.
Die demokratischen Verfassungsstaaten des Westens haben in
ihrer historischen Entwicklung jeweils kollektive Identitäten gewonnen, welche
die realweltliche Prämisse der Legitimitätsdiskussion – die Möglichkeit
solidarischer oder gemeinsinnorientierter Präferenzen der Regierten und die
mögliche Gemeinwohlorientierung der Regierenden – empirisch plausibel erscheinen
lassen. Auf dieser Grundlage haben sie höchst komplexe Institutionen entwickelt,
die auf die pluralen Legitimationsargumente reagieren, dabei aber in
unterschiedlichem Maße die eine oder andere Anforderung favorisieren oder
hintanstellen. In einer grundlegenden Unterscheidung lassen sich dabei
„politische“ und „nicht-politische“ Institutionen unterscheiden. Während die
ersten ihre maßgeblichen Akteure direkt oder indirekt von den Voten der
Regierten abhängig machen, sollen die zweiten diese Abhängigkeit gerade
verhindern.
3.1 Die Legitimationskraft „politischer“ Institutionen
Zu den vom Votum der Regierten politisch abhängigen
Institutionen zählen in erster Linie die Parlamente und Regierungen
demokratischer Verfassungsstaaten einschließlich der von diesen kontrollierten
Untergliederungen und „nachgeordneten Bereiche“. Im weiteren Sinne gehören dazu
auch die politischen Parteien und die Interessenverbände. Sie alle können,
wenngleich in unterschiedlichem Maße, zur Unterstützung sowohl
input-orientierter als auch output-orientierter Legitimationsargumente
beitragen. Freilich variieren die politischen Institutionen westlicher
Demokratien in so vielen Merkmalen, daß es aussichtslos erscheint, aus den
Befunden der vergleichenden Regierungslehre und des vergleichenden
Verfassungsrechts zu einer induktiven Schlußfolgerung über die größere oder
geringere Legitimationskraft bestimmter Lösungen zu kommen. Nützlich erscheint
dagegen eine von George Tsebelis vorgeschlagene, radikal vereinfachende
Klassifizierung westlicher politischer Systeme nach der Zahl der in ihnen
institutionalisierten selbständigen (korporativen oder kollektiven)
„Vetospieler“, deren Zustimmung für die Gesetzgebung und andere wichtige
politische Entscheidungen erforderlich ist (Tsebelis 2002).
Am einen Extrem dieser Skala finden sich die
quasi-monokratischen Strukturen des idealtypischen Westminster-Modells – mit
unitarischem Staatsaufbau, Einkammerparlament, Zweiparteiensystem und einer
Dominanz des Regierungschefs im Kabinett und in der Mehrheitsfraktion. Das
andere Extrem bilden machtverteilende Verfassungen mit multiplen Vetopositionen
– vertikaler Gewaltenteilung zwischen Zentral- und Gliedstaaten,
Zweikammer-Parlamenten, Koalitionsregierungen und unabhängigen
(„nicht-politischen“) Verfassungsgerichten und Notenbanken. Indem Tsebelis die
vieldimensionalen Unterschiede zwischen den westlichen Demokratien auf diese
eine Dimension der Machtkonzentration und Machtverteilung reduziert, ermöglicht
er zugleich die Identifikation wichtiger und besonders legitimationsrelevanter
Trade-offs zwischen unterschiedlichen institutionellen Lösungen.
3.1.1 Output-bezogene Effekte
Der deutlichste Trade-off zeigt sich in der
Output-Perspektive: Tsebelis demonstriert analytisch und empirisch die geringere
Handlungs- und Innovationsfähigkeit der Politik in Verfassungen mit multiplen
Vetopositionen – eine Interpretation, die auch von der politischen Praxis
geteilt wird, wie die derzeitigen Versuche zur Überwindung deutscher
Reformblockaden durch eine „Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung“
zeigen. In kritischen Situationen liegt darin gewiß eine legitimationsrelevante
Minderung der Fähigkeit zu effektivem, gemeinwohlorientiertem politischem
Handeln. Aber was aus der Problemlösungsperspektive als
„Politikverflechtungsfalle“ diagnostiziert wird (Scharpf 1985), erscheint aus
der Perspektive der Machtkontrolle als zusätzliche „vertikale
Gewaltenteilung“, welche den historisch erfahrenen Mißbrauch extremer
Machtkonzentration künftig ausschließen soll (Hesse 1962). Es ist im Prinzip das
gleiche Argument, das James Madison schon 1788 zur Begründung der checks and
balances in der amerikanischen Verfassung expliziert hatte (Madison 1961).
Spiegelbildlich liegen die Dinge in den
machtkonzentrierenden Verfassungen, zu denen auch die unitarischen Länder mit
Mehrparteiensystemen gerechnet werden können, sofern (anders als in Italien und
Frankreich während des kalten Krieges) alle Parteien mit allen anderen
koalitionsfähig sind, und Minderheitsregierungen die Unterstützung wechselnder
parlamentarischer Mehrheiten suchen können (Green-Pedersen 2001; Kaiser 1997;
Ganghof/Bräuninger 2003). Hier werden abrupte Politikwechsel und radikale
Reformen nicht durch institutionalisierte Konsenszwänge verhindert, wie nicht
nur die britische und neuseeländische Wendepolitik in den achtziger Jahren,
sondern auch die schwedischen, dänischen und niederländischen Reformen der
neunziger Jahre gezeigt haben.[9] Freilich wird hier weder die mögliche Entfernung
der Politik von den Präferenzen der Wähler, noch der potentielle Mißbrauch der
Regierungsmacht quasi-automatisch durch institutionalisierte Vetopositionen
behindert. Sofern es dagegen effektive Sicherungen gibt, müssen sie einerseits
im Bereich der politischen Moral und der öffentlichen und veröffentlichten
Meinung, andererseits im Verhältnis zwischen den Regierenden und ihren Wählern
und den potentiellen Sanktionen der allgemeinen Wahl gefunden werden.
3.1.2 Input-bezogene Effekte
Weniger offensichtlich sind die Trade-offs für die
input-orientierte Legitimation. In allen modernen Demokratien existieren zwei
Input-Kanäle nebeneinander – der „unitarische“ (oder „parlamentarische“)
Zugang, der von der öffentlichen Meinung über die Parteienkonkurrenz zur
allgemeinen Wahl und Regierungsbildung führt, und die „partikulären“
Kanäle der Interessenvermittlung, die unmittelbar von den organisierten Gruppen
zur Politikformulierung in Ministerien und Parlamentsausschüssen führen. Beide
werden in unterschiedlicher Weise durch institutionelle Strukturen geprägt.
Machtverteilende politische Institutionen mit zahlreichen
Vetopositionen bieten auch entsprechend viele Zugangsmöglichkeiten für
partikuläre Interessen, während politische Systeme mit starker
Machtkonzentration tendenziell monopolistische Großorganisationen und die von
diesen vertretenen hochaggregierten Interessen privilegieren (Immergut 1992a,
1992b). Das Ergebnis sind in einem Falle pluralistische, im anderen
korporatistische Formen der „Interessenvermittlung“ (Schmitter 1979).[10] Im
Hinblick auf output-orientierte Legitimationsargumente sind beide in der Lage,
die Verletzung wichtiger Interessenpositionen zu verhindern, aber ihr
Interessenberücksichtigungspotential bleibt prinzipiell selektiv, weil
keineswegs alle gesellschaftlichen Interessen organisationsfähig und
konfliktfähig sind,[11] und weil neu aufkommende Interessendefinitionen – so etwa
ökologische und feministische Forderungen in den siebziger und achtziger Jahren
– von den etablierten Verbänden tendenziell vernachlässigt werden. Man kann also
keineswegs unterstellen, daß die Ergebnisse einer von organisierten Interessen
dominierten Politik auch nur der am Pareto-Kriterium orientierten Definition des
Gemeinwohls entsprechen müßten (Olson 1982). Im Vergleich zu normativ
anspruchsvolleren (holistischen) Gemeinwohlkonzepten erscheint die verbandliche
Repräsentation partikulärer Interessen ohnehin und nicht nur wegen ihrer
unvermeidlichen Selektivität defizitär (Mayntz 1992).
Im unitarischen Modus wird die Mitwirkung der
Regierten an der politischen Willensbildung, sieht man von den (mit Ausnahme der
Schweiz) eher marginalen Optionen der direkten Demokratie ab, durch
Institutionen der repräsentativen Demokratie und die formal gesicherte
Entscheidungsfreiheit der Regierenden mediatisiert. Deren größere oder geringere
Responsivität gegenüber den Präferenzen der Regierten wird dann durch die
Effektivität zweier Mechanismen bestimmt: der Abhängigkeit der Regierenden vom
Votum der Wähler und der politischen Kommunikation zwischen Regierenden und
Regierten. Beide werden wiederum von den institutionellen Strukturen des
Regierungssystems geprägt.
Der grundlegende institutionelle Mechanismus der
repräsentativen Demokratie, die Abhängigkeit der Regierenden vom Ausgang
allgemeiner Wahlen, erreicht maximale Wirksamkeit in extrem
machtkonzentrierenden Demokratien – also in den unitarischen
Zweiparteiensystemen des Westminstermodells. Sie wird abgeschwächt in
Mehrparteiensystemen mit wechselnden Koalitionsmöglichkeiten, und sie erreicht
ein Minimum in Multi-Veto-Systemen, die für effektives politisches Handeln ein
Zusammenwirken zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien erfordern. Mit
anderen Worten: Je mehr die Entscheidungsmacht verteilt wird, desto diffuser die
politische Verantwortlichkeit eines jeden Beteiligten, desto geringer die
politische Wirkung der Drohung „to throw the rascals out“ und desto
geringer der Legitimationseffekt eines positiven oder negativen Ausgangs
allgemeiner Wahlen.
Dieselben institutionellen Faktoren bestimmen aber auch
die Chancen einer kommunikativen Vermittlung zwischen Regierenden und Regierten,
auf die sich – nach der Entzauberung des Ideals ubiquitärer basisdemokratischer
Partizipation – die Hoffnung neuerer Varianten einer input-orientierten
Demokratietheorie in erster Linie richtet (vgl. Schmalz-Bruns 1995; Elster 1998;
Habermas 1992; Dryzek 1990). In ihrer anspruchsvollsten Fassung geht es dabei um
eine durch öffentliche Diskussion zu erreichende Transformation der Präferenzen
der Bürger – von der volonté de tous zur volonté générale, von der
„strategischen“ Kommunikation konkurrierender Partikularinteressen zur Einigung
auf „verallgemeinerungsfähige“ Interessen, die von allen geteilt werden können.[12]
Allerdings tendieren neuere Varianten dieser Theorie dazu, die von Habermas
immer zusammen gedachten Postulate des öffentlichen und des
einigungsorientierten Diskurses zu trennen, und das dann empirisch
feststellbare Spannungsverhältnis zwischen beiden zugunsten des zweiten
Kriteriums aufzulösen. „Deliberative Demokratie“ meint dann kaum noch mehr als
die auf Argumente (statt auf Machtasymmetrien) gestützte Suche nach technisch
brauchbaren und politisch konsensfähigen Lösungen, die durchaus auch hinter den
geschlossenen Türen der Brüsseler Comitologie, des deutschen
Vermittlungsausschusses oder diplomatischer Verhandlungsrunden stattfinden kann
(vgl. etwa Joerges/Neyer 1997; Joerges/Vos 1999; Spörndli 2004; Kapoor 2004;
Müller 2004). Im Ergebnis wird damit aber eine Rückwendung von der
input-orientierten Perspektive zu einer an der erwartbaren Qualität der
Ergebnisse orientierten Output-Perspektive vollzogen.
Von größerer Relevanz für die input-orientierte
Legitimation nationaler Politik sind dagegen Diskurstheorien, die sich weder auf
die öffentliche Diskussion innerhalb des räsonierenden Publikums noch auf die
Deliberation in abgeschotteten Expertengremien beschränken, sondern die
kommunikative Interaktion zwischen Regierenden und Regierten einbeziehen. Dieses
gilt insbesondere für die Arbeiten von Vivien A. Schmidt, die auf empirischer
Grundlage den potentiellen Einfluß öffentlicher politischer Diskurse auf die
Präferenzen der Wähler und die Akzeptanz einer zunächst unpopulären Politik
betonen, und die zugleich auf theoretischer Grundlage die institutionellen
Faktoren bezeichnen, die derartige Diskurse begünstigen oder erschweren (vgl.
Schmidt 2000, 2002, 2004). Normativ steht hinter diesem Ansatz die Überzeugung,
daß zwar eine gemeinwohlorientierte Politik auch dann möglich sein muß, wenn sie
den aktuellen Präferenzen der Wähler widerspricht, daß aber ein dauerhafter
Konflikt zwischen Regierenden und Regierten die Grundlagen input-orientierter
Legitimation untergraben muß.
Dabei unterscheidet Schmidt zwischen dem „coordinative
discourse“, in dem die Regierenden sich untereinander auf eine Politik
verständigen müssen, und dem „communicative discourse“ zwischen den
Regierenden (zu denen auch die jeweilige Opposition zu rechnen ist) und den
Regierten. In beiden Diskursen geht es darum, politische Aufmerksamkeit für
bestimmte Probleme zu erzeugen, mögliche Lösungen ins Spiel zu bringen und diese
im Hinblick auf ihre sachliche Effektivität, ihre Verteilungswirkung und ihre
normative Angemessenheit zu beurteilen und zu kritisieren. Aber während der
koordinative Diskurs auch hinter verschlossenen Türen stattfinden kann, muß der
kommunikative Diskurs im Lichte der Öffentlichkeit und der Medien und mit dem
Blick auf Meinungsumfragen und die kommenden Wahlen geführt werden. Seine
legitimierende Effektivität wird nicht nur von der kommunikativen Kompetenz der
Regierenden bestimmt, sondern auch und in hohem Maße durch die institutionellen
Unterschiede zwischen „simple polities“ und „compound polities“ –
Kategorien, die der hier eingeführten Unterscheidung zwischen
machtkonzentrierenden und machtverteilenden politischen Systemen entsprechen.
In simple polities, so Schmidts Schlußfolgerung, in
denen politische Macht und Verantwortung ungeteilt bei der parlamentarisch
verantwortlichen Regierung liegen, gewinnen koordinative Diskurse selten
öffentliche Bedeutung. Die politische Kommunikation wird ganz von der
öffentlichen Auseinandersetzung zwischen Regierung und Opposition bestimmt, die
beide Seiten zwingt, die Argumente für und gegen die jeweilige Politik zu
verdeutlichen und dabei die antizipierte Reaktion der Wähler zu berücksichtigen.
Das heißt nicht, daß Regierungen sich nach dieser Reaktion richten müßten – sie
haben die Chance, im kommunikativen Diskurs die Wähler auch von der Richtigkeit
unpopulärer Maßnahmen zu überzeugen, wie dies offenbar Margaret Thatcher gelang.
Aber selbst wenn sie dafür am Ende vom Wähler bestraft werden, wie dies in den
Niederlanden und in Schweden anfangs der neunziger Jahre geschah, kann die
Bereitschaft der Regierung, für die als richtig erachtete Politik das eigene
Überleben aufs Spiel zu setzen, als Indiz für die Ernsthaftigkeit ihrer
Gemeinwohlorientierung genommen werden und so die Legitimität des politischen
Systems eher stärken als schwächen.
In compound polities dagegen wird auch die
öffentliche politische Kommunikation dominiert durch das Problem der
Koordination zwischen den Inhabern multipler Vetopositionen, die von
unterschiedlichen Situationsdeutungen und Interessen ausgehend unterschiedliche
Ziele verfolgen mögen, und die zugleich privilegierte Zugangs- und
Einflußmöglichkeiten für die Partikularinteressen ihrer jeweiligen Klientel
eröffnen (vgl. Immergut 1992a, 1992b). Eine Opfer verlangende oder sonst
unpopuläre Politik kann hier leicht blockiert werden. Kommt sie aber dennoch
zustande, so werden die ausgehandelten Kompromißlösungen von den daran
Beteiligten aus unterschiedlichen Perspektiven kommentiert und in eher
verwirrenden öffentlichen Diskursen oftmals von keiner Seite mit voller
Überzeugungskraft als sachlich richtig und normativ gerechtfertigt erläutert und
verteidigt werden.[13]
Die bisherigen Argumente können in der untenstehenden
Übersicht zusammengefaßt werden: Aus der Output-Perspektive gibt es einen
symmetrischen Trade-off: Machtkonzentrierende Systeme sind handlungsfähiger und
damit jedenfalls dann potentiell problemlösungsfähiger, wenn eine
gemeinwohlorientierte Politik die Abkehr vom Status quo erfordert, während
machtverteilende Systeme gerade damit besondere Schwierigkeiten haben. Ihre
multiplen Vetopositionen begünstigen jedoch die Kontrolle politischer
Herrschaft, während machtkonzentrierende politische Systeme dafür in erster
Linie auf die öffentliche Meinung und die Reaktion der Wähler angewiesen sind.
Weniger symmetrisch erscheinen dagegen die Verhältnisse aus der
Input-Perspektive: Je stärker die machtverteilenden „checks and balances“
in einer Verfassung ausgeprägt sind, desto schwächer ist die Legitimationskraft
des unitarischen Kanals der politischen Willensbildung, weil sowohl der
Sanktionsmechanismus der allgemeinen Wahl als auch die Überzeugungskraft
politischer Diskurse durch die Diffusion politischer Verantwortlichkeit und die
Kakophonie der Argumente der Regierenden geschwächt werden. Die
input-orientierte Legitimation in machtverteilenden politischen Systemen ist
deshalb in stärkerem Maße auf die partikulären Kanäle und die – normativ
eher problematischen – Argumente einer pluralistischen Demokratietheorie
angewiesen.
|
Machtkonzentration |
Machtverteilung |
Output-orientierte Legitimationsfaktoren |
Problemlösungseffektivität
Machtkontrolle |
hoch
schwach |
gering
stark |
Input-orientierte Legitimationsfaktoren |
Partikulärer Zugang |
korporatistisch |
pluralistisch |
Unitarischer Zugang
politische Verantwortlichkeit
kommunikativer Diskurs |
sichtbar
fokussiert |
diffus
verwirrend |
3.2 Die begrenzte Legitimationskraft unpolitischer Institutionen
In der europäischen Geschichte gab es im Übergang vom
Absolutismus (in dem die ständestaatlichen Institutionen des späten Mittelalters
außer Kraft gesetzt worden waren) zum demokratischen Verfassungsstaat eine
„konstitutionalistische“ Phase, in der die Entwicklung rechtsstaatlicher
Strukturen und insbesondere die Gewährleistung einer unabhängigen
Gerichtsbarkeit die Hauptlast der Legitimation des politischen Systems zu tragen
hatte. Mit Blick auf die Entwicklungsländer und die Transformationsländer wird
überdies heute im Kontext der Good-governance-Diskussion diese
historische Abfolge auch funktionalistisch interpretiert: die Einführung formal
demokratischer Institutionen bleibt prekär und erscheint riskant, wenn nicht
zuvor die Rule of Law und der Schutz von Eigentumsrechten etabliert und
dauerhaft gewährleistet ist.
Dies mag als Analyse historischer Verläufe zutreffen. Im
Rahmen kulturell und institutionell gefestigter Demokratien freilich bedarf die
Behauptung der eigenständigen Legitimationskraft politisch unabhängiger
Institutionen einer normativ überzeugenden Begründung. Diese erscheint
unproblematisch, wo es darum geht, die unparteiische Anwendung des
parlamentarisch gesetzten Rechts auf Einzelfälle zu sichern; und auch die
richterliche Rechtsfortbildung in den traditionell dem Common Law
zugerechneten Materien des Zivil- und Strafrechts erscheint unbedenklich,
solange der parlamentarische Gesetzgeber jederzeit korrigierend eingreifen
könnte. Anders steht es um die Verfassungsgerichtsbarkeit, die in Ländern mit
einer von Selbstzweifeln unangefochtenen demokratischen Tradition entweder nicht
existiert (wie in Großbritannien oder den skandinavischen Staaten) oder, wo sie
durch richterlichen coup d’état eingeführt wurde (wie in den USA), immer
wieder kritisch und selbstkritisch nach den Grenzen ihrer Legitimität befragt
wird (Bickel 1962; Ehmke 1961; Scharpf 1965, 1970). Ihre Rechtfertigung bezieht
sie, sieht man von der notwendigen Regelung föderaler Kompetenzkonflikte einmal
ab, aus einem tiefen – möglicherweise historisch begründeten – Mißtrauen gegen
den demokratisch legitimierten Gesetzgeber, dem man es nicht zutraut, die für
alle demokratischen Verfassungsstaaten konstitutiven Grenzen staatlicher
Herrschaft aus eigener Überzeugung zu respektieren.
Diese Grenzen, hierzulande durch die Grundrechte und die
Europäische Menschenrechtskonvention bezeichnet, werden – wie die Erfahrung in
totalitären Staaten und in korrupten Regimes gelehrt hat – durch die Justiz
nicht notwendigerweise besser geschützt als durch die Parlamente. Aber in
Staaten mit grundsätzlich verfassungstreuen Regierungen und Parlamenten und mit
einer auf behauptete Verfassungsverletzungen sensibel reagierenden öffentlichen
Meinung kann die Institutionalisierung einer auf die Entscheidung von
Verfassungsfragen spezialisierten Vetoposition das relative Gewicht
verfassungsrechtlicher Argumente beträchtlich erhöhen. Solange dabei der
Verdacht illegitimer Richterherrschaft vermieden werden kann, und solange die
Politik die Voten des Verfassungsgerichts respektiert, kann so die Legitimität
des politischen Systems im Ganzen durchaus gesteigert werden.
Freilich sind die genannten Voraussetzungen prinzipiell
prekär. Die Autorität der Verfassungsgerichtsbarkeit basiert letztlich auf dem
Anspruch, den von partikulären Interessen gereinigten normativen Gemeinsinn der
Bürger – oder, in den Worten von Justice Harlan Fisk Stone, „the sober second
thought of the community“ (Stone 1936, zit. nach Bickel 1962: 26) – auch
gegenüber dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber vertreten zu können, und
auf der Unterstützung, die dieser Anspruch in der öffentlichen Meinung findet.
Würde diese Unterstützung durch eine Rechtsprechung untergraben, welche die
normativen Präferenzen der Bürger nachhaltig verletzt, oder die als Parteinahme
in aktuellen politischen Auseinandersetzungen verstanden werden kann, dann wäre
es dem Gesetzgeber ein Leichtes, nach dem Muster von Roosevelts „court
packing plan“ von 1937 die Verfassungsgerichtsbarkeit entweder zu
korrigieren oder zu entmachten. Die Legitimität der unabhängigen
Verfassungsgerichtsbarkeit beruht also paradoxerweise auf ihrer institutionellen
Verwundbarkeit. Ihre Autorität gilt als anerkannt, gerade weil sie im
ernsthaften Konfliktfall von der demokratischen Politik nicht hingenommen werden
müßte.
Noch deutlicher gilt dies für die unabhängige Notenbank.
Jenseits aller output-orientierten Argumente einer ökonomischen Theorie, welche
den Nutzen einer entpolitisierten Geldpolitik gegenüber den inflationären
Versuchungen demokratisch verantwortlicher Regierungen betonen, basiert die
Autorität der Notenbank in allfälligen Konflikten mit der Regierung
ausschließlich auf ihrer input-orientierten Unterstützung durch die öffentliche
und veröffentlichte Meinung. Nur diese hat die Bundeskanzler von Konrad Adenauer
über Ludwig Erhard und Helmut Schmidt bis zu Helmut Kohl daran gehindert, den
Konflikt zwischen ihrer Finanzpolitik und der Geldpolitik der Bundesbank durch
die einfache Änderung des Bundesbankgesetzes zu bereinigen. Nicht anders steht
es um die prekäre Legitimation sonstiger „nicht-politischer“ Institutionen
einschließlich der unabhängigen Regulierungskommissionen amerikanischen Musters.
Im demokratischen Verfassungsstaat ist sie abhängig von der input-orientierten
Legitimität der demokratisch verantwortlichen „politischen“ Institutionen.
Deshalb erscheint es auch zumindest voreilig, wenn umstandslos von der Existenz
politischer nicht verantwortlicher Institutionen auf der nationalen Ebene auf
die Legitimität solcher Institutionen auf der europäischen oder internationalen
Ebene geschlossen wird (so etwa Moravcsik 2002). Darüber sogleich mehr.
4 Legitimation jenseits des Nationalstaats
Der Durchgang durch die Systematik der
Legitimationsargumente hat gezeigt: Im demokratischen Nationalstaat können in
unterschiedlichen institutionellen Lösungen begründete input-orientierte und
output-orientierte Argumente einander ergänzen und verstärken – wobei freilich
die Hauptlast der Legitimation zugemuteter Interessenverletzungen immer durch
input-orientierte Argumente getragen werden muß, während die Reichweite einer
ausschließlich output-orientierten Argumentation sich auf politische Lösungen
beschränkt, die das Pareto-Kriterium erfüllen. Nicht alle diese Argumente
könnten auch in politischen Systemen jenseits oder oberhalb des Nationalstaats
Geltung beanspruchen. Insbesondere gilt dies für die input-orientierte
Legitimation, deren faktische und institutionelle Voraussetzungen jenseits des
Nationalstaats nur in eingeschränktem Maße oder gar nicht erfüllt werden.
Überdies unterscheiden sich die institutionellen Bedingungen in der Europäischen
Union so sehr von denen in anderen internationalen Organisationen, daß eine
separate Behandlung geboten erscheint.
4.1 Europäische Union
Anders als alle anderen internationalen Organisationen
haben die „politischen“ Institutionen der Europäischen Union eine Struktur, die
mit dem steigenden Einfluß des direkt gewählten Europäischen Parlaments auf die
Gesetzgebung und mit der zunehmenden (wenngleich immer noch eingeschränkten)
Verantwortlichkeit der Kommission gegenüber dem Parlament zumindest als formale
Annäherung an legitimationskräftige Institutionen nationaler Demokratien
verstanden werden kann. Wegen der starken Rolle der nationalen Regierungen im
Europäischen Rat und im Ministerrat partizipiert die Union überdies auch
indirekt an deren demokratischer Legitimation – so wie ja auch dem deutschen
Bundesrat eine indirekt-demokratische Legitimation zugeschrieben wird (Klein
1989). Schließlich verfügt die Union in dem Europäischen Gerichtshof, der
Europäischen Zentralbank und (bei der Ausübung mancher Funktionen) auch der
Kommission über „nicht-politische“ Institutionen, deren Kompetenzen und
institutionelle Strukturen denen der Verfassungsgerichte, unabhängigen
Zentralbanken und unabhängigen Regulierungskommissionen in einigen
Mitgliedstaaten zu entsprechen scheinen. Der Vergleich mit den
Legitimationsgrundlagen des demokratischen Verfassungsstaats liegt also durchaus
nahe. Bei näherem Zusehen freilich erscheinen die Differenzen größer als die
Gemeinsamkeiten.
4.1.1 Politische Institutionen
Der wichtigste Unterschied betrifft die
nicht-institutionellen Grundlagen der unitarischen oder
parlamentarischen Input-Legitimation. Diese, so habe ich oben argumentiert,
setzt auf Seiten der Bürger und Wähler eine starke Kollektiv-Identität voraus,
die erst die Zumutung von nicht kompensierten Sonderopfern normativ vertretbar,
und gemeinwohlorientierte Diskurse zwischen Regierenden und Regierten überhaupt
möglich erscheinen ließe. Daß es daran in Europa derzeit (noch) fehlt, bedarf
kaum einer Begründung (Lepsius 2004). Selbst in den sechs Gründerstaaten der
Union ist die nationale Identität viel stärker als die europäische; noch mehr
gilt dies für die 1973 hinzugekommenen Briten und Dänen; und von den Bürgern der
neuen Mitgliedstaaten in Osteuropa kann man erst recht nicht den Vorrang einer
europäischen vor der soeben wiedergewonnenen nationalen Identität erwarten.
Kurz, die Bürger der Mitgliedstaaten sind zuerst Briten, Franzosen, Deutsche
oder Polen und erst in zweiter oder dritter Linie Europäer mit der Bereitschaft
zur europaweiten Solidarität auch gegen die eigenen Interessen (Nissen 2004).
Dem entspricht ihr eklatantes Desinteresse an den Europawahlen – ebenso wie
deren Inszenierung als Plebiszit über die eigene Regierung durch die nationalen
Parteien. Deshalb, und nicht allein wegen der allenfalls im Englischen
übersteigbaren sprachlichen Barrieren, fehlen in Europa auch alle faktischen
Voraussetzungen – gemeinsame Medien, europäische politische Parteien – für
europaweite öffentliche Diskurse zwischen den Regierenden und den Regierten.
Dies schließt parallele nationale Diskurse nicht aus, wie zuletzt die Proteste
in vielen EU-Mitgliedstaaten gegen den Krieg im Irak gezeigt haben. Aber die
Habermas’sche Hoffnung, daß daraus eine kollektive europäische Identität
erwachsen werde, eilt der historischen Entwicklung doch weit voraus.[14] Aus
denselben Gründen erweist sich die Europawahl auch als untaugliches Instrument
zur Einforderung der politischen Verantwortlichkeit der Regierenden gegenüber
den Regierten.
Obwohl also der Einfluß des Europäischen Parlaments auf
die Gesetzgebung in den vergangenen zehn Jahren erheblich zugenommen hat, ist
der unitarische Kanal der politischen Willensbildung – öffentliche
Meinung, Parlamentswahlen, Regierungsbildung, politische Diskurse – für die
input-orientierte Legitimation der europäischen Politik weiterhin von minimaler
Bedeutung. Dagegen haben das Parlament und insbesondere seine Ausschüsse
durchaus an Bedeutung als Kanal der partikulären Interessenvermittlung
gewonnen. Aber damit steht es nicht allein. Zugangsmöglichkeiten für
organisierte Interessen bieten auch die Generaldirektionen der Kommission,
welche die Gründung europäischer Spitzenverbände sogar aktiv gefördert hat. Vor
allem aber eröffnen die spezialisierten Ministerräte und deren Untergliederungen
privilegierte Zugangsmöglichkeiten für alle Interessengruppen, die im jeweiligen
Mitgliedstaat Einfluß auf das zuständige Ministerium haben. Die Offenheit der
europäischen Institutionen für die Inputs organisierter Interessen entspricht
insgesamt nicht dem korporatistischen, sondern dem pluralistischen Muster
und erscheint insoweit auch keineswegs defizitär im Vergleich zu den
korrespondierenden Möglichkeiten der pluralistischen Interessenvermittlung in
den Mitgliedstaaten.[15]
Mit dieser Struktur der Interessenvermittlung
korrespondiert eine extrem machtverteilende politische Entscheidungsstruktur mit
einer Vielzahl von Vetopositionen. Gesetzesinitiativen können allein von der
Kommission lanciert werden, wobei die jeweils zuständige Generaldirektion eine
Mehrheit in der Gesamtkommission finden muß, in der die ressortspezifischen und
die nationalen Perspektiven der Kommissare gleichermaßen Bedeutung haben können.
Ähnliches gilt im Parlament, dessen – von den Ausschüssen vorgeformtes –
Mehrheitsvotum inzwischen in fast allen Politikfeldern erforderlich ist. Die
immer notwendige Zustimmung des Ministerrats schließlich muß, wo nicht
einstimmig, so doch mit hoher qualifizierter Mehrheit erfolgen. Kurz, der Prozeß
der europäischen Gesetzgebung kann von vielen Vetopositionen aus blockiert
werden, die ihrerseits jeweils auf partikuläre Inputs sensibel reagieren. In
diesen langwierigen und vielfach gehemmten politischen Prozessen sind deshalb
Ergebnisse höchst unwahrscheinlich, durch die nationale, sektorale und
gruppenspezifische Interessen in gravierender Weise verletzt werden könnten. Im
Rahmen der hier entwickelten Analyse bedeutet dies: Die Politik, die in den
politischen Institutionen der Union tatsächlich beschlossen werden kann, hat
einen relativ geringen Legitimationsbedarf. Deshalb fällt insoweit das
input-orientierte „europäische Demokratiedefizit“ – d.h. die Abwesenheit
unitarischer politischer Verantwortlichkeit und europaweiter politischer
Diskurse – wenig ins Gewicht, zumal dieses Defizit ja durch die Vielfalt
pluralistischer Input-Optionen gemildert wird. Freilich würden die
gegenwärtigen Bedingungen der Input-Legitimation auch nicht ausreichen, um eine
anspruchsvollere, stärker intervenierende und umverteilende europäische Politik
zu stützen.
Dieser Befund auf der Input-Seite hat nun freilich
durchaus problematische oder zumindest ambivalente Implikationen für die
Output-Legitimation der Europäischen Politik. Soweit es um die Verhinderung
von Machtmißbrauch geht, übertreffen die politischen Institutionen der
Europäischen Union sogar die extremeren Varianten nationaler
Checks-and-balances-Verfassungen (so mit Recht Moravcsik 2002). Freilich
wird damit auch die durch mangelnde Input-Legitimation normativ beschränkte
Problemlösungsfähigkeit der europäischen Politik institutionell abgesichert
und faktisch verfestigt. Als Ergebnis von Verhandlungen zwischen einer Vielzahl
selbständiger Akteure ist sie im Prinzip auf Lösungen beschränkt, welche die
unkompensierte Verletzung wichtiger Interessen der Beteiligten oder ihrer
Klientel ausschließen. Gewiß hat die Union dank der Führungsrolle der Kommission
und der „europäischen“ Sozialisation nationaler Repräsentanten
konsensorientierte Verhandlungsmethoden entwickelt, welche die konstruktive
Suche nach Win-win-Lösungen begünstigen und objektiv vermeidbare
Blockaden auch so weit wie möglich ausschließen (Wallace/Wallace 2000; Héritier
2000). Sie finden jedoch ihre Grenze an real konfligierenden Interessen. In der
Vergangenheit wurde diese Grenze zwar immer wieder durch „Koppelgeschäfte“ und
(vor allem von Deutschland finanzierte) finanzielle „Seitenzahlungen“
hinausgeschoben, aber ob damit auch die wesentlich größere Heterogenität der
Interessen nach der Osterweiterung bewältigt werden kann, ist zumindest nicht
sicher.
Im Prinzip jedenfalls ist die Problemlösungsfähigkeit der
„politischen“ Institutionen der Union auf Lösungen beschränkt, welche die
politisch gravierenden Interessen und Präferenzen gewichtiger Gruppen in den
Mitgliedstaaten nicht verletzen können. Dies schließt von vornherein wichtige
Politikfelder aus. Angesichts der normativen, institutionellen und ökonomischen
Heterogenität der europäischen Sozialstaaten wäre etwa die Hoffnung auf eine
einheitliche europäische Sozialpolitik oder einheitliche europäische Regelungen
der Arbeitsbeziehungen völlig unrealistisch (Scharpf 2002; Kanitz/Steinberg
2003). Dies gilt vielen als unproblematisch, weil ja nach dem
Subsidiaritätsprinzip die auf europäischer Ebene nicht verhandelbaren Aufgaben
der Politik weiterhin in der Kompetenz der Mitgliedstaaten verbleiben (so etwa
Majone 1996; Mestmäcker 1994a). Solche Argumente verkennen jedoch die
gravierenden Beschränkungen nationaler Problemlösungsfähigkeit, die von der
Europäischen Union herbeigeführt wurden. Um zu verstehen, wie dies trotz der
multiplen Vetopositionen und des hohen Konsensbedarfs der europäischen Politik
geschehen konnte, muß der Blick nun auf die nicht-politischen Institutionen der
Union gerichtet werden.
4.1.2 Nicht-politische Institutionen
Die Funktionen des Europäischen Gerichtshofs entsprechen
denen eines nationalen Obergerichts mit verfassungsgerichtlichen Kompetenzen,
und das Mandat der Europäischen Zentralbank ist unter deutschem Einfluß dem der
Bundesbank nachgebildet worden. Ihre institutionelle Unabhängigkeit geht jedoch
weit über die der nationalen Vorbilder hinaus. Das Mandat und die
institutionelle Form der deutschen Bundesbank hätten, wie schon erwähnt, von der
jeweiligen parlamentarischen Mehrheit durch einfaches Gesetz geändert werden
können. Bei der EZB dagegen basieren sowohl das Mandat („die Preisstabilität zu
gewährleisten“) als auch die institutionell garantierte Unabhängigkeit bei der
Interpretation und Ausübung dieses Mandats auf dem Maastricht-Vertrag, dessen
Regeln nur durch einstimmige Vertragsänderung und Ratifizierung in allen
Mitgliedstaaten geändert werden könnten.
Das Gleiche gilt für den Europäischen Gerichtshof und sein
Mandat zur „Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung“ der europäischen
Verträge. Seine verfassungsgerichtliche Qualität verdankt dieses Mandat den vom
EuGH in eigener Verantwortung postulierten Prinzipien der „Suprematie“ und der
„unmittelbaren Wirkung“ des Europarechts – und deren Akzeptanz durch die
nationalen Gerichte.[16] Im Gegensatz zu den Regeln aller anderen internationalen
Organisationen genießt danach das Europarecht – und zwar nicht nur das „primäre“
Recht der Verträge, sondern auch die „sekundären“ Verordnungen und Richtlinien –
absoluten Vorrang vor den Verfassungen und allem anderen Recht der
Mitgliedstaaten, und es ist als unmittelbar geltendes Recht von den nationalen
Behörden und Gerichten anzuwenden. Wie immer die politischen Institutionen der
EU zu charakterisieren sind – was ihre Rechtsordnung angeht, muß sie als
vollentwickelter Bundesstaat mit der uneingeschränkten Maxime „Bundesrecht
bricht Landesrecht“ qualifiziert werden (so schon Weiler 1982).
Daß dagegen im nationalen Recht trotz immer wieder
zweifelnder obiter dicta des Bundesverfassungsgerichts kein Kraut
gewachsen ist, muß die Legitimität der europäischen Rechtsprechung nicht
beeinträchtigen. Viel bedenklicher erscheint jedoch das Verhältnis des
Europäischen Gerichtshofs zur europäischen Politik. Während die deutsche
Verfassungsrechtsprechung wenigstens durch Zweidrittel-Mehrheiten im Bundestag
und im Bundesrat korrigiert werden könnte, kann eine auf die Verträge gestützte
Entscheidung des EuGH wiederum nur durch einstimmig zu beschließende
Vertragsänderung und Ratifikation in allen Mitgliedstaaten – also faktisch
überhaupt nicht – revidiert werden. Angesichts der hohen Konsensschwellen im
Prozeß der europäischen Gesetzgebung, die auch durch den Verfassungsvertrag
nicht gesenkt worden sind (Devuyst 2004), gilt überdies fast das Gleiche für die
gerichtliche Interpretation des sekundären Europarechts. Dies hat auch wichtige
Rückwirkungen auf die Position der Kommission, deren Kompetenz zur Einleitung
von Vertragsverletzungsverfahren gegen die Mitgliedstaaten – im Gegensatz zu
ihrer Rolle im Gesetzgebungsverfahren – weder von der Zustimmung des
Ministerrats noch von der des Parlaments abhängig ist. Solange ihre
Interpretation einer Vertragsbestimmung oder einer Regel des sekundären
Europarechts vom EuGH gedeckt wird, müßten auch mehrheitliche Proteste im
Parlament und im Ministerrat ohne Wirkung bleiben. Dies hat normativ und
faktisch bedeutsame Konsequenzen.
Aus normativer Sicht fehlt der Kommission ebenso wie dem
EuGH und der Europäischen Zentralbank die indirekt-demokratische Legitimation,
die ich oben den nicht-politischen Institutionen im demokratischen Nationalstaat
zugeschrieben hatte. Eben weil sie gegen jede politische Korrektur geschützt
sind, können sie sich für Entscheidungen gegen aktuelle politische Präferenzen
auch nicht auf die stillschweigende Billigung durch den sober second thought
of the community berufen. Ihrer institutionellen Unverwundbarkeit entspricht
also eine höhere normative Verwundbarkeit, deren sich Kommission und Gericht
zwar manchmal, aber keineswegs immer bewußt zu sein scheinen.
Eben deshalb freilich verfügen die nicht-politischen
Institutionen der EU über eine besonders hohe Handlungsfähigkeit. Im Gegensatz
zu den politischen Institutionen der Union, die im Vergleich zur Politik in
demokratischen Nationalstaaten in geradezu extremer (aber normativ gut
begründeter) Weise durch checks and balances und hohe
Konsenserfordernisse beschränkt werden, genießen sie eine institutionell kaum
beschränkte Autonomie, die es ihnen auch erlaubt, in der Interpretation und
Anwendung des europäischen Rechts weit über die historischen Intentionen der
vertragschließenden Staaten und der an der europäischen Gesetzgebung beteiligten
politischen Akteure hinauszugehen. Diese Autonomie ist in der Vergangenheit in
erster Linie zur Beschleunigung und Vertiefung der ökonomischen Integration
Europas eingesetzt worden (Scharpf 1999). Gestützt auf die vertragliche Garantie
der vier ökonomischen „Grundfreiheiten“ haben die Kommission und der EuGH eine
„europäische Wirtschaftsverfassung“ entwickelt (Mestmäcker 1994a, 1994b; vgl.
jetzt auch Joerges/Rödl 2004), die der Freiheit des Waren- und
Dienstleistungsverkehrs und dem unverzerrten wirtschaftlichen Wettbewerb
unbedingten Vorrang gegenüber nationalen Regelungen und Maßnahmen zum Schutz
sozialpolitischer, regionalpolitischer oder kulturpolitischer Belange zuerkennt.[17]
Diese Asymmetrie zwischen einer marktschaffenden und
nationale Wettbewerbshindernisse beseitigenden „negativen Integration“ auf der
einen Seite und einer marktbeschränkenden oder marktkorrigierenden Politik der
„positiven Integration“ auf der anderen Seite kann auf europäischer Ebene nicht
politisch korrigiert werden, weil die extreme Heterogenität der ökonomischen und
institutionellen Bedingungen und der normativen Präferenzen in den
Mitgliedstaaten eine Einigung auf einheitliche europäische Lösungen bisher
verhindert haben und nach der Osterweiterung erst recht verhindern werden.
Die für die output-orientierte Legitimität des
europäischen Mehrebenensystems im Ganzen bedeutsame Balance zwischen
marktschaffender und marktkorrigierender Politik kann also auch weiterhin nur
auf der nationalen Ebene realisiert werden. Dort wird sie aber durch die
Suprematie des europäischen Wirtschafts- und Wettbewerbsrechts rechtlich
beschränkt, während die dadurch ermöglichte Intensivierung des europaweiten
wirtschaftlichen Wettbewerbs und der europaweiten Mobilität der Kapitalanlagen
und Produktionsstandorte die nationale Politik auch immer engeren ökonomischen
Beschränkungen unterwirft. Ähnliches gilt für die Europäische Währungsunion, die
eine Anpassung der einheitlichen Geldpolitik der EZB an die unterschiedlichen
ökonomischen Bedingungen in den einzelnen Mitgliedstaaten ausschließt und
dadurch die Bewältigung nationaler Wirtschaftskrisen erschwert oder vereitelt
(van der Werf 2004; Enderlein 2004). Kurz, die in ihrer Legitimität prekäre
Politik der nicht-politischen europäischen Institutionen hat Rückwirkungen auf
der Ebene der Mitgliedstaaten, die dort die Problemlösungseffektivität der
nationalen Politik (und damit ihre Output-Legitimation) und zugleich ihre
Übereinstimmung mit den Präferenzen der Regierten (also ihre Input-Legitimation)
gefährden.[18]
4.1.3 Implikationen
Den politischen Institutionen der Union fehlt die
unmittelbare Input-Legitimation. Für sich genommen bleibt dies jedoch
unschädlich, weil die Vielzahl der Vetopositionen und der Zugangsmöglichkeiten
für organisierte Interessen die europäische Gesetzgebung an Regelungen hindert,
die die Präferenzen gewichtiger Gruppen in den Mitgliedstaaten in gravierender
Weise verletzen könnten. Der Legitimationsbedarf der tatsächlich beschlossenen
Politik ist also gering. Freilich gilt dies nur für den Zeitpunkt der
Verabschiedung. Wenn europäische Verordnungen oder Richtlinien einmal in Kraft
sind, dann behindern dieselben checks and balances auch deren Änderung,
wenn veränderte Umstände oder neue Einsichten und Präferenzen die ursprüngliche
Zustimmung erodieren lassen (man denke an den „Europäischen Stabilitätspakt“).
Besonders problematisch erscheint dies für die Beitrittsländer der
Osterweiterung, denen als Beitrittsbedingung die Akzeptanz eines acquis
communautaire abverlangt wurde, dessen Normen unter ganz anderen
wirtschaftlichen, institutionellen und politischen Voraussetzungen allein von
den bisherigen Mitgliedstaaten beschlossen worden waren (Mair/Zielonka 2002).
Aber auch die bisherigen Mitgliedstaaten sehen sich vor
solchen Problemen, wenn geltendes EU-Recht nicht geändert werden kann, oder wenn
die nicht-politischen EU-Institutionen ihre revisionsfeste Kompetenz zur
Interpretation und Anwendung des primären und sekundären Europarechts zur
Durchsetzung von Politikinhalten nutzen, die politisch wichtige Interessen und
Präferenzen in den Mitgliedstaaten in gravierender Weise verletzen. Da aus der
Sicht ihrer Wähler die EU nicht zur Verantwortung gezogen werden kann, richtet
sich der politische Protest gegen die nationale Regierung (wie dies
beispielsweise bei der BSE-Krise der Fall war). Diese kann die ihr zugeschobene
politische Verantwortung akzeptieren und unter Einsatz ihres eigenen politischen
Kapitals die – möglicherweise von ihr selbst abgelehnten – EU-Regeln diskursiv
verteidigen. In diesem Fall kann die Diskrepanz zwischen europäischer Politik
und den Präferenzen der Regierten im Kontext der nationalstaatlichen
Legitimationsmechanismen politisch verarbeitet werden.[19]
Sollten die nationalen Regierungen statt dessen aber die
Verantwortung für eine von ihnen nicht gebilligte EU-Politik und bestehende
europarechtliche Beschränkungen ablehnen und den Protest auf europäische
Instanzen lenken, die ihrerseits weder diskursfähig noch politisch haftbar zu
machen sind, so müßte dies das input-orientierte „europäische Demokratiedefizit“
dramatisieren und die Legitimation der Union im Ganzen untergraben. Aber
zugleich denunzierte dies auch die Unfähigkeit der nationalen Politik, auf
politisch virulente Probleme und offenbar sachlich berechtigte Forderungen der
Bürger wirksam reagieren zu können. Damit würden schließlich auch die bisher
noch intakten input- und output-orientierten Legitimationsgrundlagen des
demokratischen Nationalstaats untergraben.
Angesichts dieses Dilemmas sollte man jedoch auch ein
drittes Szenario nicht aus den Überlegungen ausschließen: Statt die EU-Politik
zu verteidigen oder die eigene politische Impotenz zu dramatisieren, hätten
nationale Regierungen immerhin auch die Möglichkeit, den Rechtsgehorsam gegen
europäische Gebote und Verbote aufzukündigen – entweder durch die verzögerte,
unvollständige oder fehlerhafte Umsetzung von Richtlinien in nationales Recht,
oder durch dessen mangelhafte Implementation, oder schließlich durch die offene
Weigerung, sich an EU-Regeln zu halten, deren Befolgung die nationale Politik
vor unlösbare Probleme stellen würde. Beim Europäischen Stabilitätspakt erschien
diese letzte Variante im vergangenen Jahr keineswegs mehr ganz unrealistisch. Im
Ergebnis würde dadurch die von den Mitgliedstaaten bisher stillschweigend
hingenommene „bundesstaatliche“ Suprematie des Europarechts wieder in Frage
gestellt.
Wenn diese Legitimationsrisiken vermieden werden sollen,
dann müßte die Union die Reichweite ihrer Politik und die Reichweite des
Europarechts in jenen Politikfeldern beschränken, in denen sie wegen der
Heterogenität der Präferenzen und Interessen ihrer Mitglieder zu positiver
Gestaltung nicht fähig ist, und die zugleich in der Politik ihrer
Mitgliedstaaten einen hohen, legitimationsrelevanten Stellenwert haben. Dazu
gehören neben dem Sozialstaat in seinen höchst unterschiedlichen nationalen
Ausprägungen auch andere Politikfelder, die zwar nicht generell, wohl aber in
dem einen oder anderen Mitgliedstaat vitale Interessen oder besonders starke
normative Präferenzen berühren (Kurzer 2001). Vorschläge zu einer wirksamen
Beschränkung der europäischen Kompetenzen gab es zwar; sie sind jedoch in den
Beratungen über den Verfassungsentwurf nicht wirksam geworden (Vandenbroucke
2003; Scharpf 2002).
4.2 Die internationale Ebene
Außerhalb und oberhalb der Europäischen Union gibt es
keine mit dem Europäischen Parlament vergleichbaren politischen
Input-Strukturen, und es gibt auch keine nicht-politischen Institutionen, deren
Kompetenz sich mit der des EuGH, der EZB oder der Europäischen Kommission messen
könnte. Stattdessen haben die von der internationalen Ebene ausgehenden
Herrschaftsakte ihre Grundlage entweder in der Selbstbindung von Nationalstaaten
durch internationale Vereinbarungen oder in der überlegenen Fähigkeit
hegemonialer (Koalitionen von) Staaten, die eigenen Präferenzen gegen Dritte
durchzusetzen.
Zur Frage der Legitimation der hegemonialen Variante
internationaler Herrschaftsausübung werde ich hier nicht viel beitragen können.
Gewiß können die innerstaatlichen Opfer, die effektive Durchsetzungsstrategien
erfordern, durch die politischen Strukturen und Prozesse des demokratischen
Verfassungsstaats legitimiert werden – wobei auch die Frage nach der
internationalen Legitimität des eigenen Vorgehens in den „kommunikativen
Diskursen“ der nationalen Politik eine erhebliche Bedeutung gewinnen kann. Die
völkerrechtlichen und moralischen Argumente, mit denen etwa eine „humanitäre
Intervention“ (output-orientiert) begründet oder kritisiert werden kann, spielen
eine noch wichtigere Rolle in den politischen Diskursen jener Drittländer, die
weder zur jeweiligen coalition of the willing noch zu den Zielen der
Intervention gehören. Aber solange die nationalen politischen Diskurse nicht zu
einer sanktionsmächtigen „Weltmeinung“ fusionieren, die auch die hegemonialen
Staaten bindet, wird die Zustimmung der Drittländer (oder des
UN-Sicherheitsrats) zwar vielleicht die Bürger der Täterstaaten, aber kaum die
Adressaten und Opfer von der Legitimität der Intervention überzeugen.
Anders steht es bei Akten des internationalen Regierens,
die Ergebnis einer vertraglichen Selbstbindung der davon betroffenen Staaten
sind. Wenn die vertraglichen Verpflichtungen freiwillig (wenngleich unter dem
Einfluß ungleicher Alternativ-Optionen; Scharpf 2000, Kap. 6) eingegangen
wurden, so genügt für die Legitimation des intergouvernemental vereinbarten
„Koordinationsvölkerrechts“ (von Bogdandy 2003: 868) im Prinzip die Zustimmung
der ihrerseits innerstaatlich legitimierten nationalen Regierungen oder
Parlamente. Dies gilt insbesondere dann, wenn die innerstaatliche Anwendung der
Vereinbarungen eines nicht substituierbaren nationalen Umsetzungsakts bedarf.
Auch wenn die Verweigerung den Staat gegenüber den Vertragspartnern ins Unrecht
setzen und Sanktionen nach sich ziehen würde, bleibt die Umsetzung ein Akt der
nationalen Staatsgewalt, für den die Regierung die unmittelbare politische
Verantwortung nicht abwehren kann. Anders wäre es nur, wenn nach dem Vorbild der
erfolgreichen Konstitutionalisierung des Europarechts (Weiler 1982; Alter 2001)
sich auch die Überlegungen zu einer „Konstitutionalisierung des Völkerrechts“
(dazu von Bogdandy 2003: 846 mit weiteren Nachweisen) durchsetzen würden. Wenn
auch die internationalen Verträge oder deren Interpretation durch die Dispute
Settlement Bodies der WTO und andere supranationale Instanzen unmittelbare
Geltung im nationalen Rechtssystem und Vorrang vor dem nationalen Recht
gewännen, und so die konstitutive Verantwortung der nationalen Regierungen
ausschlössen, dann würde auch die Legitimität des Vertragsrechts prekär.
Aber was ist die potentielle Reichweite der
intergouvernementalen Legitimation? Auf den ersten Blick scheint sie strikt
begrenzt durch das output-orientierte Pareto-Kriterium. Aus der allein relevant
erscheinenden Output-Perspektive sind die miteinander verhandelnden nationalen
Regierungen jeweils Treuhänder des nationalen Gemeinwohls. Sie dürften demnach
(unter Bedingungen der vollständigen Information) keine Vereinbarung
akzeptieren, bei der ihr Land sich per saldo schlechter stellen würde als
im Status quo. Unkompensierte Sonderopfer und Umverteilung wären also
prinzipiell ausgeschlossen (Scharpf 2000b). Unter der Annahme einer
egoistisch-rationalen Verfolgung nationaler Interessen und angesichts der
extremen Heterogenität nationaler Interessen und Präferenzen könnten deshalb
auch internationale Verhandlungen für viele der Probleme, die auf nationaler
Ebene nicht mehr bewältigt werden können – vom globalen Klimawandel über die
globale Steuerkonkurrenz und Lohnkonkurrenz bis zur globalen Armutswanderung und
zum globalen Terrorismus – keine befriedigenden Lösungen bieten. Diese scheitern
schon in der Theorie nicht nur an allfälligen Nullsummenkonflikten, sondern auch
an der Verteidigung relativer Vorteile und an den Versuchungen des
Trittbrettfahrens in Dilemma-Konstellationen. Sekretariate internationaler
Organisationen, die als „ehrliche Makler“ akzeptiert werden, können helfen,
Mißverständnisse auszuräumen und unnötige Konflikte zu vermeiden. Aber sie
können ernsthaft konfligierende Interessen und Präferenzen nicht harmonisieren.
Aus einer reinen Output-Perspektive müssen diese Hürden
unübersteigbar erscheinen. Effektive Lösungen wären auch hier auf
input-orientierte Legitimationsargumente angewiesen. Nur die Bürger selbst,
nicht aber ihre Repräsentanten, könnten unfreiwillige Umverteilung und
unkompensierte Sonderopfer legitimieren. Aber wie sollte das möglich sein? Die
Visionen einer cosmopolitan democracy im Rahmen der repräsentativen
Verfassung eines föderalen Weltstaates (Held 1991, 1993) müssen auf alle
absehbare Zeit an der fehlenden kollektiven Identität eines „globalen demos“
scheitern,[20] während die auf nationale Ziele gerichteten Präferenzen der Bürger
ihre normative Relevanz verlieren, wenn es um Probleme geht, die im Rahmen des
einzelnen Staates nicht mehr bewältigt werden können (Scharpf 2000a)?
Aber folgt daraus auch die Unmöglichkeit einer
input-orientierten Legitimation von Vereinbarungen, die „transnationale
Solidarität“ (Beckert et al. 2004) – sprich internationale Umverteilung und
nicht-kompensierte Sonderopfer – zum Ziel haben? Im Prinzip ja, solange man an
der Prämisse festhält, daß Solidarität jenseits des Nationalstaats eine globale
oder jedenfalls transnationale kollektive Identität oder, was hier auf das
Gleiche hinausläuft, effektive „Kommunikationsstrukturen einer Weltgesellschaft“
(Habermas 2004) voraussetze. Nach den oben entwickelten Argumenten gälte dies
jedoch nur für die supranational – hierarchisch oder majoritär –
oktroyierte Solidarität, deren Legitimation in der Tat auf das Vorhandensein
einer starken Kollektividentität und die transnationale Integration politischer
Diskurse angewiesen bliebe. Es gilt nicht für die vertragliche Koordination
nationaler Vorhaben der internationalen Solidarität.
Die Grundlagen einer input-orientierten Legitimation
internationaler Solidarität liegen dann freilich in der nationalen Politik und
deren Rückkoppelung mit den Präferenzen ihrer Bürger. Diese und nur diese sind
ja frei, solidarische und sogar altruistische Kriterien in die eigene Bewertung
politischer Optionen aufzunehmen – und wo dies der Fall ist, da sind auch die
verhandelnden Regierungen zu internationalen Vereinbarungen legitimiert, die
eine Selbstverpflichtung zu solidarischem oder sogar altruistischem Verhalten
konstituieren. In der normativen Theorie der nationalen Politik jedenfalls, so
viel ist Habermas zuzugeben, ist der – für die demokratische Legitimation
nationaler Umverteilung denknotwenige – Schritt vom individuellen
Egoismus zur nationalen Solidarität der Bürger kein qualitativ anderer
als der Schritt von der nationalen Gemeinwohldefinition zur
grenzüberschreitenden „Einbeziehung des Anderen“ (Habermas 1996), der für die
demokratische Legitimation einer nationalen Politik der internationalen
Solidarität vorausgesetzt werden muß.
Das heißt gewiß nicht, daß diese Voraussetzungen einfach
unterstellt werden dürften. Aber die Schwierigkeiten liegen auf der empirischen
Ebene und nicht auf der der normativen politischen Theorie.[21] In der Realität
erwies sich ja die Entwicklung nationaler Identitätskonstrukte, die schließlich
auch die von der nationalen Militär-, Steuer- und Sozialpolitik zugemuteten
Solidaropfer demokratisch legitimieren konnte, als ein langwieriger,
institutionell wie ideologisch höchst voraussetzungsvoller und nach wie vor
prekärer Prozeß (Levi 1997), dessen Wiederholung auf Ebenen oberhalb des
Nationalstaats in der Tat unwahrscheinlich wäre (Kaufmann 2004). Deshalb werden
sich wohl schon für die Europäische Union die Bemühungen um die Ausbildung einer
mit dem Nationalstaat vergleichbaren kollektiven Identität als eine Sackgasse
erweisen, und es ist sogar zweifelhaft, ob die erfolgreiche Entwicklung eines
„europäischen Nationalismus“ normativ wünschenswert wäre.[22] Noch weniger
erreichbar oder wünschenswert wäre ein auf kollektive Identität gestützter
Weltstaat.
Aber eben dies muß mit der „Einbeziehung des Anderen“ ja
auch nicht gemeint sein. Eine starke Kollektividentität ist die notwendige
Voraussetzung der Legitimation hoheitlich oktroyierter Opfer, welche die
Interessen und Präferenzen der betroffenen Bürger gravierend verletzen. Aber
auch wenn diese Voraussetzung fehlt, sind die Bürger nicht daran gehindert, das
Wohlergehen anderer Individuen oder die mit anderen Staaten geteilten Interessen
in ihren eigenen Präferenzen zu reflektieren und dafür auch spürbare eigene
Opfer in Kauf zu nehmen. Die input-orientierte demokratische Legitimation einer
international solidarischen nationalen Politik ist deshalb zumindest nicht
ausgeschlossen – nur könnte sie eben nicht unter Berufung auf eine prä-existente
Kollektividentität oktroyiert werden.
Empirisch ist dies gewiß eine im Vergleich zum
Nationalstaat wesentlich schwächere Form der Solidarität – wie etwa am
eklatanten Mißverhältnis zwischen den fast klaglos hingenommenen
Billionentransfers in die neuen Bundesländer und den dauernden Protesten gegen
die deutschen Nettobeiträge zum Haushalt der EU oder gar den stetig fallenden
Aufwendungen für die Dritte Welt deutlich wird. Aber insgesamt sind auch die auf
internationale Verträge gestützten Aufwendungen für Zwecke der internationalen
Solidarität keineswegs unerheblich (Tomuschat 2004).
Ganz offenbar sind nationale politische Diskurse dafür von
großer Bedeutung – oder wie sonst sollte man erklären, daß in den
skandinavischen Demokratien der Anteil der Entwicklungshilfe am
Bruttoinlandsprodukt seit langem den Beitrag der anderen Industrieländer um ein
Mehrfaches übersteigt, und daß die gleichen Länder sich auch in weit
überproportionalem Maße an internationalen Friedensmissionen und
Menschenrechtsinitiativen beteiligen? Diese reale „Solidarität unter
Weltbürgern“ erwächst aber gerade nicht aus den „Kommunikationsstrukturen einer
Weltgesellschaft“, wie Habermas postuliert (sonst dürfte es so eklatante
Unterschiede nicht geben), sondern aus politischen und moralischen Diskursen in
den politisch integrierten Kommunikationsstrukturen der jeweiligen
Nationalstaaten. Sie allein können die Zustimmung zu internationaler
Umverteilung und zu nicht-kompensierten Sonderopfern für das jeweils eigene Land
legitimieren – und erst die Parallelität der nationalen Legitimationsdiskurse[23]
begründet die Legitimität eines über die wechselseitige Akkommodation nationaler
Eigeninteressen hinausgehenden, solidarischen „Regierens jenseits des
Nationalstaats“.[24] So oder so bleibt also die Legitimität politischen Handelns und
rechtlicher Normierung auf der internationalen Ebene auf die legitimierenden
Strukturen und Prozesse der Nationalstaaten angewiesen.
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Endnoten
1
Bei genauerer Betrachtung wäre zwischen
relativ robusten Präferenzen im Hinblick auf wünschenswerte Ergebnisse der
Politik und stärker irrtumsanfälligen Präferenzen im Hinblick auf die dafür zielführenden Maßnahmen zu unterscheiden.
2
Es ist daran zu erinnern, daß die Legitimation
unfreiwilliger Sonderopfer und unfreiwilliger Umverteilung das eigentliche
Problem darstellt. Man kann es umgehen, wenn man grundsätzlich einstimmige
Entscheidungen fordert (so Buchanan/Tullock 1962), handelt sich dafür aber die
Diktatur der Minderheit ein, sofern die Opfer nur durch Änderung des Status quo
vermieden werden könnten – es sei denn, man unterstellt mit Habermas, daß
Einigung in wahrheitsorientierten Diskursen immer möglich sei. Was aber, wenn dann aus pragmatischen Gründen doch
abgestimmt werden muß? Dann liegt es nahe (möglicherweise unter Rückgriff auf
das Condorcet-Jury-Theorem), die Meinung der Mehrheit für „wahr“ zu erklären und
die der Minderheit als „irrig“ zu disqualifizieren – so der gegen alle auf
Rousseau gegründeten Demokratiekonzepte gerichtete Totalitarismusvorwurf Talmons
(1955). Diese Konsequenz vermeidet das auf Kollektividentität gegründete
Argument zur Legitimation von Mehrheitsentscheidungen. Die abweichende Meinung
behält hier ihr Recht und ihre Würde, aber Mehrheit und Minderheit verstehen
sich als Teil einer größeren Einheit, die unter Beachtung legitimer
Entscheidungsregeln auch legitimiert ist, unfreiwillige Opfer zu verlangen.
Unter Bezug auf Hirschman (1970) könnte man auch sagen: Die Minderheit ist im
Voice-Diskurs gescheitert, aber legitimiert die Entscheidung durch
Loyalty, weil die Mitgliedschaft ihr wichtiger ist als die durch Exit
erreichbaren Vorteile.
3
Wie ich an anderer Stelle (Scharpf 2000b: 148–158)
gezeigt habe, erleichtert die Wir-Identität (d.h. eine „solidarische
Interaktionsorientierung“) auch die Verständigung auf „kooperative“ Lösungen in
Mixed-motive-Konstellationen, die dem wohlverstandenen Eigeninteresse
aller Beteiligten entsprechen. Die kollektive Umorientierung ist also nicht nur
unerläßlich zur input-orientierten Legitimation einer umverteilenden Politik,
sondern sie begünstigt generell wohlfahrtssteigernde politische Lösungen (vgl.
auch Nullmeier/Pritzlaff 2002).
4
Fuchs (2002: 91) hat mit Recht darauf hingewiesen,
daß die Unterscheidung zwischen input-orientierten und output-orientierten
Perspektiven nur ins Spiel kommt, wenn – anders als in der griechischen Polis –
die Identität zwischen Regierten und Regierenden nicht mehr vorausgesetzt werden
kann.
5
Das Pareto-Kriterium vermeidet zwar den
interindividuellen Nutzenvergleich, indem es Verteilungsfragen für irrelevant
erklärt, aber es unterstellt die Möglichkeit der intra-individuellen Saldierung
von sachlich und zeitlich differierenden Nutzengewinnen und Verlusten.
6
Ob das Pareto-Kriterium seinerseits normativ
befriedigen kann, erscheint durchaus zweifelhaft. Es privilegiert die
Status-quo-Interessen und es ignoriert alle Verteilungsfragen, gleich ob diese
sich auf den Status quo oder auf die Verteilung der Vorteile einer
pareto-superioren Veränderung beziehen. Seine eindeutige Dominanz in der
modernen Wohlfahrtsökonomik verdankt es nicht seiner normativen Plausibilität,
sondern der Tatsache, daß es ohne den interpersonellen Nutzenvergleich auskommt.
7
Wenn Ökonomen die internationale Steuerkonkurrenz
begrüßen, weil sie die Steuerlast der Unternehmen mit den von diesen genutzten
Infrastrukturvorteilen zur Deckung bringe, dann steht dahinter eben diese am
Pareto-Kriterium orientierte Ablehnung unkompensierter Beiträge zum Gemeinwohl;
vgl. etwa Streit (1996), Vanberg/Kerber (1994).
8
Insbesondere Preuss (2002), und aus der
völkerrechtlichen Perspektive: Oeter (1992), Portinaro (2002).
9
Vgl. die Länderstudien in Scharpf/Schmidt (2000,
Vol. 2), insbesondere Rhodes (19–68), Schwartz (69–130), Hemerijck/Unger/Visser
(175–263), Benner/Bundgaard Vad (399–466); Ganghof (2004).
10
Eine vollständige Systematik könnte in einem
zweidimensionalen Schema die Konzentration sowohl der politischen als auch der
gesellschaftlichen Institutionen variieren und käme dann zu einer vierfachen
Typologie, die neben korporatistischen und pluralistischen auch etatistische und
den Staat „kolonisierende“ Formen der Interessenvermittlung unterscheidet.
11
Dieses Problem hat die Pluralismusdiskussion in der
amerikanischen Politikwissenschaft der fünfziger und sechziger Jahre beherrscht;
vgl. Scharpf (1970) mit weiteren Nachweisen.
12
So schon Habermas (1962) und, besonders emphatisch,
Habermas (1973: 131–196).
13
Man denke etwa an den deutschen Ministerpräsidenten,
der im Wahlkampf gegen ein unpopuläres Gesetz protestiert, das er im
Vermittlungsausschuß selbst ausgehandelt hatte.
14
Habermas/Derrida, Nach dem Krieg: Die Wiedergeburt
Europas. In: FAZ, 31.5.2003.
15
Schmidt (2004, im Erscheinen), die der Union die
Möglichkeit des „government by the the people“ abspricht, charakterisiert
diese Input-Struktur als legitimationskräftiges „government with the people“
– was akzeptabel erscheint, wenn man darüber die unvermeidliche Selektivität
pluralischer Politik und deren geringe Handlungsfähigkeit nicht aus dem Blick
verliert.
16
Zur Durchsetzung dieser erstaunlichen Prinzipien
vgl. Alter (2001).
17
Betroffen sind insbesondere die staatlichen und
kommunalen Einrichtungen der „Daseinsvorsorge“ und die „Service-public“-Funktionen
in den Mitgliedstaaten, die potentiell auch privatwirtschaftlich erbracht werden
könnten (Cox 1996). Potentiell gefährdet sind aber vor allem auch die sozialen
Dienstleistungen in den skandinavischen und kontinentaleuropäischen
Sozialstaaten (Scharpf 2002).
18
Selbstverständlich sind die Wirtschafts- und
Währungsunion oder die Liberalisierungs- und Wettbewerbspolitik der Kommission
und die Zinspolitik der EZB nicht die einzigen oder auch nur die wichtigsten
Ursachen der Schwierigkeiten, mit denen die nationalen Sozialstaaten derzeit zu
kämpfen haben. Aber sie beschränken in extremem Maße die Möglichkeiten ihrer
Bewältigung durch die nationale Politik.
19
Deshalb hätte die von den Fürsprechern einer
„parlamentarischen“ EU-Verfassung geforderte Entmachtung des Europäischen Rats
und des Ministerrats und damit der nationalen Regierungen für die Legitimation
der europäischen Politik verheerende Wirkungen.
20
Daran könnte auch die aktive Rolle von non-governmental organizations
nichts ändern, die ohne demokratisches Mandat höchst selektive und
möglicherweise vernachlässigte Präferenzen der westlichen Kultur auf der
internationalen Ebene vertreten wollen. In nationalen Diskursen über die
nationale Politik in internationalen Angelegenheiten können sie dagegen eine
wichtige und völlig legitime Rolle übernehmen.
21
Immerhin ist festzuhalten, daß die im demokratischen
Nationalstaat vorausgesetzte Legitimität majoritärer Entscheidungen auch für
eine nationale Politik der internationalen Solidarität in Anspruch genommen
werden kann.
22
Vgl. etwa die Polemik Weilers gegen die in Joschka
Fischers Humboldt-Rede implizite Vision eines europäischen Bundesstaats (Weiler
2000, 2001).
23
Dabei ist konzediert, daß die parallelen Diskurse
durch wechselseitige Beobachtung angestoßen und beeinflußt werden können. Aber
am Ende kommt es doch auf die nationale Legitimation der nationalen Politik an.
24
Im Prinzip gilt das Gleiche auch für die
Legitimation von „humanitärer Intervention“: Auch sie basiert bestenfalls auf
der Parallelität nationaler Legitimationsdiskurse in einer gesamtwestlichen „coalition
of the willing“.
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