Wirtschaftsnationalismus im Wandel der Zeit: Der politische Diskurs um ausländische Unternehmensübernahmen in Großbritannien seit den 1950er-Jahren
Abstract
Recent studies challenge the widespread practice of equating "economic nationalism" with protectionism, by showing that market liberalization is also frequently justified
with reference to nationalist motives. We add that, conversely, advocates of protectionism increasingly advance market-liberalizing motives to legitimate their demands. The
present article traces the conservative and liberal forms of economic nationalism, as well as the protectionist form of economic liberalism, through British parliamentary
debates regarding foreign takeovers from 1956 onward. The observed discursive change illustrates a gradual change in values and thereby informs recent studies on mechanisms
of capitalist development. Unlike both forms of economic nationalism, protectionist liberalism does not portray open markets as a means of promoting or undermining the
national interest. Instead, open markets become an end in themselves that no longer requires justification and can even serve to legitimate protectionism.
Zusammenfassung
Jüngere Studien kritisieren die weitverbreitete Gleichsetzung von Wirtschaftsnationalismus und Protektionismus mit der Begründung, dass auch Marktliberalisierung oft
mittels nationalistischer Motive gerechtfertigt wird. Wir ergänzen, dass spiegelbildlich dazu die Befürworter von Protektionismus zunehmend marktliberalisierende Motive
anführen. Anhand britischer Parlamentsdebatten über Auslandsübernahmen seit 1956 dokumentiert der vorliegende Artikel die protektionistische und liberale Form von
Wirtschaftsnationalismus sowie die protektionistische Form von Wirtschaftsliberalismus. Die zeitliche Entwicklung dieser drei Diskursstränge veranschaulicht einen graduellen
Wertewandel und ergänzt damit neuere Studien zu Mechanismen kapitalistischer Dynamik um eine diskursive Dimension. Im Gegensatz zu beiden Formen von Wirtschaftsnationalismus
wertet protektionistischer Liberalismus offene Märkte nicht als Mittel zur Förderung oder Schwächung des nationalen Interesses. Stattdessen werden offene Märkte zum Selbstzweck, der keiner Rechtfertigung mehr bedarf und sogar Protektionismus
legitimieren kann.
Inhalt
1 Einleitung
2 Wirtschaftsnationalismus als sozialwissenschaftliches Konzept
3 Der politische Diskurs um ausländische Übernahmen in Großbritannien – quantitative und zeitliche Einordnung
4 Wirtschaftsnationalismus im Wandel der Zeit
Protektionistischer Wirtschaftsnationalismus im Diskurs um ausländische Übernahmen
Liberaler Wirtschaftsnationalismus im Diskurs um ausländische Übernahmen
Protektionistischer Wirtschaftsliberalismus im Diskurs um ausländische Übernahmen